Der Jahreswechsel 2011/12 war für den chinesischen Handymarkt ein einschneidender Zeitraum. Ende 2011 brachte Xiaomi sein erstes Mi-Smartphone auf den Markt, das ob reger Nachfrage den Grundstein für das Unternehmen legen sollte, zum mittlerweile drittgrößten Handyproduzenten der Welt zu werden.

Doch nicht nur Xiaomi löste mit seinem Erstling einen Hype aus. Meizu, ein seit 2003 existierender Elektronikhersteller, hatte mit dem M8 zu Jahresanfang Chinas erstes Smartphone veröffentlicht, dessen Display der von Apple erfundenen "Retina"-Spezifikation erfüllte. Im Februar 2012 legte man schließlich nach und stellte das Meizu MX vor, das nicht nur mit guten Spezifikationen zu einem leistbaren Preis glänzte, sondern ob seines Aussehens auch als "das iPhone aus China" tituliert wurde.

Das MX war Meizus Einstieg in die Welt der Highend-Smartphones.
Foto: Meizu

In den folgenden Jahren buhlten Xiaomi und Meizu gleichermaßen um die Aufmerksamkeit der zunehmend größer werdenden Kundschaft in der Volksrepublik. Dank kluger Social Media-Strategie und immer breiter werdender Produktpalette behielt Xiaomi das bessere Ende für sich. Meizu versuchte sich auf der Retailschiene, musste diese Strategie aber zurückfahren.

Nun versucht man es ebenfalls mit Onlineverkauf – erstmals auch international – und größeren Sortiment. Mit dem Meizu MX4 kam im September ein Gerät der oberen Mittelklasse auf den Markt, im November legte man das MX4 Pro nach. Während es für die Einstiegsklasse mittlerweile auch das M1 Note gibt, stellt das MX4 Pro das aktuelle Flaggschiff von Meizu dar. Der WebStandard hat es einem Kurztest unterzogen.

Foto: derStandard.at/Pichler
Foto: derStandard.at/Pichler

150,1 x 77 x 9 Millimeter misst das Handy, das mit 158 Gramm ein akzeptables Gewicht für ein Gerät mit 5,5-Zoll-Display aufweist. Das erstreckt sich über eine – auch aufgrund des mit einem Fingerabdruck bestückten Home-Buttons – langgezogene Front mit angenehm dünnen Kanten. Rundherum sitzt ein Alurahmen, die rückseitige Abdeckung selbst ist aus hochwertig wirkendem Kunststoff. Hinter ihr sitzen der offiziell nicht entfernbare Akku sowie ein microSIM-Slot. Die Konnektivitätsaustattung entspricht dem guten Ton: WLAN 802.11ac, 3G, LTE (allerdings ohne Unterstützung für das 800-Mhz-Band) sowie Bluetooth, NFC und GPS/GLONASS-Navigation.

Die Lautstärketasten, die gut erfühlbar sind und nicht wackeln, befinden sich entgegen der üblichen Konventionen auf der linken Seite, wo sie gut erreichbar sind. Der Ein-/Aus-Knopf sitzt allerdings auf der Oberseite, das Display lässt sich allerdings auch mit dem Homebutton aufdrehen. Ebenso oben befindet sich der 3,5mm-Klinkenstecker. Lautsprecher und microUSB-Port sind am unteren Rand angebracht.

Verarbeitungstechnisch gibt es keinen Grund zu klagen, Das Handy vermittelt einen absolut wertigen Eindruck, der auch einem iPhone in nichts nachsteht. Das MX4 Pro liegt ausreichend gut in der Hand, es gibt aber definitiv Smartphones, die bequemer zu halten sind. Herausstechend ist die vor allem die Ästhetik des Geräts, die wie ein Crossover aus Apple, Samsung und Industrial-Design-Look anmutet und dabei trotzdem ihren eigenen Reiz bietet.

Foto: derStandard.at/Pichler

Der Bildschirm weiß mit guten Farben und Kontrasten sowie hoher Helligkeit zu gefallen. Auf ihm versammeln sich 2.560 x 1.600 Pixel, was von den Smartphone-Herstellern auch gerne als "2K" angepriesen wird. Die sich daraus ergebende Pixeldichte von 546 PPI liest sich am Papier zwar nett, bringt aber bestenfalls sichtbare Vorteile, wenn man das Handy als Virtual Reality-Display einsetzt.

Unter der Haube werkt der von Samsung hergestellte Exynos 5430-Chip, der vier Cortex-A15-Kerne (2 GHz) und vier sparsamere Cortex-A7-Kerne (1,5 GHz) mitbringt. Üppige drei GB RAM stehen dem Prozessor zur Seite. Der Onboardspeicher beträgt je nach Ausführung 16 oder 32 GB. Eine Erweiterung per microSD ist leider nicht möglich.

Bunt und flach präsentiert sich die auf Android 4.4 basierende Systemoberfläche "Flyme OS", ein Stil den Meizu schon recht lange pflegt. Ähnlichkeiten zu iOS 7 und 8 sind nicht zu leugnen, im positiven wie auch negativen Sinne. Wie einige andere chinesische Hersteller – darunter auch Xiaomi – verzichtet man auf einen App Drawer, sodass sämtliche Software über mehrere Homescreens verteilt ist. Ein Problem, das sich mit einem alternativen Launcher beheben lässt. Das Aussehen der Standardoberfläche lässt sich mit diversen Themes anpassen.

Foto: derStandard.at/Pichler

Abseits der Homescreens ist die restliche Navigation weitestgehend selbsterklärend und braucht wenig Einarbeitung, fällt aber mit teils eigenartigen oder unvollständigen Übersetzungen auf. Nett ist der per Wischgeste von unten aufschiebbare Taskmanager, wenngleich er keine Vorschau der Programmfenster bietet.

Bei der internationalen Version des Gerätes ist der Google Play-Store vorinstalliert. Bei der hardwareseitig praktisch identischen China-Variante fehlt er, lässt sich aber über einen im Meizu-Store verfügbaren Installer einfach einrichten. Viele Händler wie Trading Shenzhen, die dem WebStandard das Testmuster zur Verfügung gestellt haben, installieren die Google-Services bereits vor.

Foto: derStandard.at/Pichler

In Benchmarks gibt das MX4 Pro eine gute Figur ab. Beim Allround-Test Antutu bietet das Gerät von sich aus die Ausführung in einem ausgewogenen Modus und einem High-Performance-Mode an. Der Unterschied ist hinsichtlich der erreichten Punktezahl enorm. Etwa 36.500 Zähler schafft das Handy, ohne ganz aufzudrehen, rund 47.100 mit Vollgas – womit es unter anderem das OnePlus One hinter sich lässt. Selbiges sticht es auch im Chrome-Browsertest mit Vellamo aus, wo über 3.700 Zähler zu Buche stehen.

Gar Merkwürdiges zeigte sich wiederum im Grafiktest mit Epic Citadel. Während dem Rundflug durch ein virtuelles Mittelalterdorf schwankte die Bildwiederholrate wild zwischen rund Werten von um die 25 FPS und einer Zahl von 45 oder höher. Der Schnitt pendelte sich auf knapp 36 FPS ein, die Darstellung an sich war stets flüssig. Ähnliches war auch in einem zweiten Benchmark zu erkennen, der anstelle der Unreal-Engine die Unity-Engine einsetzt.

Foto: derStandard.at/Pichler

Es liegt die Vermutung nahe, dass beide Tests das Handy beständig zwischen Alltagsmodus (nur die vier Cortex-A7 Kerne im Betrieb) und High Performance Mode (alle Kerne in Betrieb, höherer GPU-Takt) wechseln ließen. Was sich in den Benchmarks anhand der laufenden Zahlen einsehen lässt, fällt in der Praxis aufgrund der konstant flüssigen Darstellung nicht auf, zeigt aber, dass eventuell Optimierungsbedarf besteht, um Nutzern bei sehr aufwändigen Spielen keine unschönen Ruckler zu bescheren.

Der Fingerabdruckscanner (mTouch) fungiert als Sicherheitsmechanismus zur Sperre von Bildschirmen oder verschlüsselten Apps und Dokumenten. Nach einer etwas mühsamen Scan-Prozedur, in der der Finger rund ein Dutzend Mal in verschiedener Position an den Homebutton gedrückt wird, funktioniert dies ausgesprochen zuverlässig.

Für den Fall, dass der Fingerabdruck doch einmal nicht erkannt wird, lässt sich alternativ ein normaler Entsperrcode festlegen. Theoretisch können auch Zahlungen per Fingerabdruck bestätigt werden, allerdings nur in Verbindung mit einem Flyme-Konto, was nur für chinesische Nutzer von Relevanz ist.

Foto: derStandard.at/Pichler

Viel gelobt wurde das MX4 Pro für seine 20-Megapixel-Kamera, insbesondere hinsichtlich seiner Kapazitäten bei Nachtaufnahmen. Das konnte freilich nicht ungetestet bleiben, zumal sich das MX4 Pro in seiner Preisklasse mit dem günstigeren Xiaomi Mi 4 messen muss.

Die Stärke bei abendlichen Fotos kann mit Abstrichen bestätigt werden. Gibt es zumindest noch etwas künstliche Strassenbeleuchtung, so lassen sich mit einer halbwegs ruhigen Hand für Smartphoneverhältnisse noch ordentliche Bilder knipsen. Schwindet das Licht fast völlig, scheitert aber auch das Meizu-Phone, selbst wenn man manuell mit Verschlusszeit, ISO-Wert (bis 800), Weißabgleich und Brennweite hantiert, was die Kamera-App ermöglicht.

Alternativ gibt es einen eigenen Nachtmodus. Der sorgt zwar dafür, dass auch in dunklen Ecken noch etwas zu sehen ist, radiert aber brutal selbst größere Details aus – ein suboptimaler Kompromiss. Beeindruckende Ergebnisse liefert dafür der Nahaufnahme-Modus, der für Makroaufnahmen gedacht ist.

Unter Tags gibt es dagegen nichts auszusetzen. Fotos schießen macht mit dem MX4 Pro Spaß, auch weil die Reaktionszeit der Kamera angenehm kurz ist. Gut schlägt sich auch die Frontkamera, die fünf Megapixel liefert und Full-HD-Videos beherrscht.

Foto: derStandard.at/Pichler

Soweit in einem Kurztest einschätzbar, dürfte die Laufzeit des 3.350-mAh-Akkus ein zweischneidiges Schwert sein. Solange man das Gerät nur selten unter Volllast setzt, erscheinen anderthalb Tage als durchaus realistische Ziel. Sobald sich aber alle acht Kerne einmal anstrengen, ist der Ladestandsverfall schnell bemerkbar. Über einen normalen Arbeitstag sollte man aber auch als Poweruser kommen. Der verwendete Exynos-Chip gilt allgemein als sparsam, in ausführlicheren Reviews verschiedener Medien wurde die Akkulaufzeit des MX4 Pro zumeist gelobt.

Bei den Basics hat sich Meizu keine Schnitzer geleistet. Der Lautsprecher erreicht sehr ordentliche Lautstärken für ein Handy und liefert dabei über weite Strecken akzeptablen Sound. An der Klangqualität per Kopfhörer gibt es nichts auszusetzen, was wohl auch am eigenen Soundchip (ESS 9018 DAC) liegt. Gesprächspartner sind etwas leise und blechern anzuhören, aber trotzdem stets verständlich. Die WLAN-Empfangsstärke ist mittelmäßig, der Mobilfunkempfang überdurchschnittlich.

Foto: derStandard.at/Pichler

Insgesamt überzeugt das Meizu MX4. Die Stärken liegen beim sehr guten Display, absolut tauglichen Kameras und der hochwertigen Verarbeitung. In Sachen Performance schlägt sich das Gerät nicht schlecht, bei hoher Beanspruchung zeigt sich allerdings etwa Optimierungsbedarf für den Wechsel zwischen den Leistungsmodi.

Interessant ist, dass sich das Gerät in der chinesischen Ausgabe deutlich günstiger erwerben lässt. Während die internationale Variante mit 16 GB im offiziellen Shop mit umgerechnet 500 Euro zu Buche schlägt, gibt es die für den chinesischen Markt bestimmte Ausgabe (deren Firmware aber ebenfalls deutsche und englische Sprache unterstützt) kann schon um 370 Euro erworben werden. Preislich liegt es damit zwischen der 3G- und LTE-Ausgabe des Xiaomi Mi4. (Georg Pichler, derStandard.at, 22.02.2015)

Testfotos

Zur Ansicht in Originalgröße bitte anklicken.

Abendaufnahme, Automatik mit Blitz im Schneesturm
Foto: derStandard.at/Pichler
Abendaufnahme, Automatik ohne Blitz
Foto: derStandard.at/Pichler
Abendaufnahme, Nahansicht (Makro)
Foto: derStandard.at/Pichler
Abendaufnahme, Nachtmodus
Foto: derStandard.at/Pichler
Tageslicht, Automatik
Foto: derStandard.at/Pichler
Gemischte Lichtverhältnisse, Automatik (obligatorisches Katzenfoto)
Foto: derStandard.at/Pichler
Gemischte Lichtverhältnisse, Frontkamera
Foto: derStandard.at/Pichler