Wien - Herta Nagl-Docekal war es in der Philosophie. Edith Saurer in der Geschichte und Eva Kreisky in der Politikwissenschaft: An der Universität Wien hat sich mit diesen Frauen in den letzten Jahrzehnten ein kritisch-feministischer Schwerpunkt aufgebaut, der internationale Anerkennung genießt. Aktuell hat das Forschungsfeld aber starken Gegenwind - in und außerhalb der Hochschule.

Mit Kreiskys Emeritierung 2012 wurde die Professur für Politische Theorie frei. Bis heute ist sie offen und die Fortführung des feministischen Schwerpunkts, den Kreisky eingebracht hatte, unklar. In der 2013 erfolgten Ausschreibung wurde er nicht erwähnt.

Die Wissenschaftssprecherin der Grünen, Sigrid Maurer, brachte am Dienstag eine parlamentarische Anfrage zu den Turbulenzen um die Nachbesetzung an das Wissenschaftsministerium ein, die dem UniSTANDARD vorliegt.

Diskriminierung ist Alltag

Darin schreibt Maurer von "Informationen, dass es im Verfahren zu Ungleichbehandlungen männlicher und weiblicher Kandidat_innen" kam. Konkret will Maurer vom Wissenschaftsministerium wissen, ob der Rektor der Universität Wien, Heinz Engl, den Vorschlag der Berufungskommission tatsächlich mit der Begründung "die erstgereihten Frauen wären nicht berufungsfähig" zurückgewiesen habe. "Diskriminierung von Frauen ist an der Uni immer noch Alltag", sagt Maurer. Das erledige sich nicht "mit schönen Worten auf Papier oder Frauenschwerpunkten". Der Weg zur Gleichstellung müsse immer noch "hart erkämpft" werden.

Der Kampf findet auch online Unterstützung: In einer Petition treten Wissenschafter für den Erhalt der feministischen Ausrichtung an der Uni Wien ein. Darunter die Philosophin Judith Butler.

Illustration: Aydogdu Fatih

Auch dem Leiter des Instituts für Politikwissenschaft, Dieter Segert, geht die Nachbesetzung zu langsam. Seit über drei Jahren wird nach einer passenden Person gesucht: "Durch das Fehlen der Professur entsteht eine Lücke, die durch Gastprofessoren nicht ausgefüllt werden kann." Man könne zu laufenden Berufungsverfahren nicht Stellung beziehen, heißt es auf Nachfrage des UniSTANDARD aus dem Rektorat.

An der Uni Wien wird an noch einem feministischen Lehrstuhl gesägt: Ende Februar ist die Professur für Gender Studies von Sigrid Schmitz ausgelaufen. Ob die Stelle weitergeführt wird, ist unklar. Dies hängt laut Rektorat von den kommenden Leistungsvereinbarungen zwischen Uni-Leitung und Ministerium ab. Dabei wachse das Interesse, "gesellschaftliche Aspekte geschlechterübergreifend zu bearbeiten", sagt Schmitz, was sich auch an den steigenden Studierendenzahlen im Masterstudium zeigt.

Kritik an Machtverteilung

Auch an der Wirtschaftsuniversität Wien hat kritische und feministische Forschung derzeit keinen leichten Stand. Das Institut für heterodoxe Ökonomie kämpft seit Jahren mit Einsparungsmaßnahmen und Lehrplanumstellungen. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin Katharina Mader ist am Institut tätig. "Im Zuge der neuen Studienpläne durch den Bologna-Prozess wurde die früher breite Palette an Lehrveranstaltungen dezimiert", sagt sie.

Kritische Schwerpunkte würden innerhalb der Uni in Bedrängnis geraten, meint Mader: "Feministische Lehrstühle setzen sich explizit mit Machtverhältnissen auseinander. Das mögen jene, die von der derzeitigen Machtverteilung profitieren, weniger."

Außerhalb der Unis stoßen feministische Ansätze ebenfalls zunehmend auf Ablehnung. Das Gender-Bashing gehe vor allem von Rechten und Väterrechtlern aus, sagt Politikwissenschafterin Birgit Sauer. (Sarah Yolanda Koss, David Tiefenthaler, DER STANDARD, 5.3.2015)