Mehr als 70 Prozent der Frauen mit Kindern unter 15 Jahren arbeiten Teilzeit.

Sophie Karmasin: "Vor allem die Chefetage ist entscheidend dafür, eine Unternehmenskultur familienfreundlich zu gestalten."

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Wien - Die Statistiken sind ernüchternd. In den Top-200-Unternehmen besetzen nur sechs Prozent der Frauen einen Chefsessel. In der Politik zeichnet sich ein ähnliches Bild. Wer in Österreich auf der Suche nach einer Bürgermeisterin ist, muss vermutlich etwas länger suchen. Lediglich sechs Prozent der Gemeinden lassen sich von Frauen führen. Im National- und Bundesrat liegt der Frauenanteil unter einem Drittel. Von den 14 amtierenden Bundesministern sind vier weiblich.

Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hat für den Status quo wenig Verständnis: "Die Wirtschaft kann es sich eigentlich nicht mehr leisten, auf die Potenziale und Talente gut ausgebildeter Frauen zu verzichten." Knapp 60 Prozent der Maturanten und Absolventen von Universitäten waren 2012/2013 Frauen. Zwar gibt es einen weiblichen Aufwind am Arbeitsmarkt, allerdings vorrangig bei Teilzeitjobs. In der Sparte der 25- bis 49-Jährigen mit Kindern unter 15 Jahren sind die Zahlen besonders deutlich: Jede zweite Frau ist teilzeitbeschäftigt, allerdings nicht einmal jeder zehnte Mann.

Keine starren Quoten

Für Karmasin ist es wichtig, sich für Geschlechtergleichheit in der Führungsebene von Unternehmen starkzumachen. Denn: "Vor allem die Chefetage ist entscheidend dafür, eine Unternehmenskultur familienfreundlich zu gestalten." Außerdem sei es bewiesen, dass gemischte Teams zu besseren Renditen und höheren Betriebsergebnissen führen würden, sagt die Familienministerin. "Das ist ein Faktum, das in der österreichischen Wirtschaft erstaunlicherweise noch nicht ausreichend genutzt wird." Bei der viel diskutierten Frauenquote zeigt sich die Familienministerin skeptisch, denn auch viele Betroffene seien gegen gesetzliche Vorgaben. Um den Frauenanteil in Chefetagen zu erhöhen, plädiert Karmasin weiterhin für eine sogenannte "Flexi-Quote". Damit könne jede Branche gemeinsam mit den Sozialpartnern individuelle Zielvorgaben definieren - auf freiwilliger Basis.

Weitgehend von der Öffentlichkeit unbemerkt gibt es im Bereich der Banken- und Kreditinstitute bereits eine derartige Regelung - eine Frauenquote, die aber nicht so heißt. Denn im Bankensektor müssen Unternehmen seit 2014 eine Zielquote für das "unterrepräsentierte Geschlecht" definieren, samt Maßnahmenpaket. Erfasst sind Vorstands- und Aufsichtsratmitglieder. Herta Stockbauer, Vorstandsvorsitzende der BKS-Bank, ist vom Modell überzeugt und auf die erste Offenlegung der Quoten gespannt: "Ich glaube, es hat einiges bewirkt." In ihrem eigenen Institut ist demnach ein Drittel der Aufsichtsräte und Vorstände weiblich. Freiwillig habe man sich auch dafür entschieden, eine Quote für Frauen in den nächsten Führungsebenen einzuführen. Derzeit halte man hier bei 31 Prozent. "Bis 2020 wollen wir 35 Prozent erreichen, und dieses Ziel ist inzwischen greifbar", sagt Stockbauer.

Langsam steigt auch der Frauenanteil in Aufsichtsräten staatsnaher Unternehmen. Durchschnittlich ist dieser im letzten Jahr um einen Prozentpunkt auf 37 Prozent geklettert. Bis Ende 2018 sollen alle 57 erfassten Betriebe die 35-Prozent-Quote erfüllen.

Stereotype ablegen

Einen wichtigen Schritt für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf hat man laut Karmasin bereits mit dem Ausbau der Kinderbetreuung gesetzt. Nun will sie Mütter und Väter motivieren, die Kindererziehung gerechter aufzuteilen. Ihr Vorschlag: "Partnerschaftsbonus" - es soll also einen monetären Anreiz geben, wenn man die Arbeitszeit reduziert und mehr Zeit mit dem Kind verbringt.

Ein Grund dafür, dass Männer selten in Karenz gehen, sind die besseren Verdienste. Die Einkommensschere bei Vollzeitbeschäftigen ist zwar gesunken und lag 2013 bei 18,2 Prozent, bei den Einkommen insgesamt ist die Kluft aber deutlich größer. Das Bruttojahreseinkommen von Frauen lag 39 Prozent unter jenem von Männern. Karmasin will einen Kulturwandel durchsetzen. Den Auftakt setzt sie mit einer Kampagne, die alte Stereotype aufbrechen soll. Frei nach dem Motto "Vom Hausmütterchen zum Hausväterchen". (Sophie-Kristin Hausberger, DER STANDARD, 5.3.2015)