Bild nicht mehr verfügbar.

Ein junger Schwarzer protestiert vor dem Polizeigebäude in Ferguson. Kurz zuvor hatte das US-Justizministerium den Polizeikräften in der US-Stadt rassistische Diskriminierung von Afroamerikanern vorgeworfen und rasche Reformen gefordert.

Foto: AP/Charles Rex Arbogast

Der Mann, 32 Jahre alt, sitzt in seinem Auto, um sich auszuruhen, nachdem er im Park eine Partie Basketball gespielt hat. Prompt kreuzt ein Polizist auf, verlangt die Papiere und fragt nach der Sozialversicherungsnummer, anhand derer man in den USA zweifelsfrei identifiziert werden kann. Aus heiterem Himmel wirft er dem Afroamerikaner vor, pädophile Neigungen auszuleben, was er damit begründet, dass im Park Kinder spielen und der Gaffer ihnen zuschaue.

Zum Aussteigen aufgefordert, muss sich der Mann einer Leibesvisitation unterziehen. Als sein Auto durchsucht werden soll, beruft er sich auf seine Rechte. Worauf ihm der Ordnungshüter eine Pistole an den Kopf hält und ihn kurzerhand festnimmt. Im Protokoll legt er ihm zur Last, in acht Fällen gegen die Gemeindeordnung der Stadt Ferguson verstoßen zu haben. "Falsche Angaben gemacht", lautet ein Punkt. Auf die Frage nach seinem Namen hatte sich der 32-Jährige als Mike vorgestellt, so wie es Amerikaner gewöhnlich tun, wenn sie Michael heißen. Auch dass er nicht angeschnallt war, wird als Vergehen verbucht - obwohl er in einem parkenden Auto saß.

Generalverdacht in Ferguson

Es ist nur eine Episode von vielen, mit denen Justizminister Eric Holder haarsträubende Missstände in Ferguson illustriert. In jener Satellitenstadt am Rande von St. Louis, in der im vergangenen August der schwarze Teenager Michael Brown von dem weißen Polizisten Darren Wilson erschossen wurde und sich angestauter Frust in nächtlichen Krawallen entlud. Auf 86 Seiten eines Untersuchungsberichts zeichnen Holders Inspektoren das Bild einer Polizeitruppe, die sich allmächtig fühlt, die Menschen auch ohne Grund in Handschellen abführt, keine Kritik verträgt und Schwarze von vornherein unter Generalverdacht stellt. Und die Geld machen soll, damit sich die prekäre Kassenlage entspannt - vor allem bei Schwarzen.

In einem zweiten Bericht gelangt das Ministerium zu dem Schluss, dass Wilson in Angst um sein Leben schoss, als er Brown tötete - kein schlüssiger Beweis belege das Gegenteil. Gleichwohl, sagt Holder, angesichts der Vorgeschichte und der vergifteten Atmosphäre könne man sich unschwer vorstellen, "dass eine einzige Tragödie ausreichte, um Ferguson wie ein Pulverfass in Brand zu stecken".

Erbarmen für Weiße

Hatte ein Weißer sein Auto falsch geparkt, waren beflissene Staatsdiener schon einmal bereit, dem Freund oder Verwandten aus der Patsche zu helfen. "Dein Zweihundert-Dollar-Strafzettel hat sich auf magische Weise in nichts aufgelöst", frohlockte eine Gerichtssekretärin per Mail. "Alles geregelt, Baby!" Wer dunkle Haut hat, konnte mit Erbarmen dagegen nicht rechnen.

Da ist die schwarze Frau, die 2007 ihr Auto im Parkverbot abstellt. Anfangs soll sie 151 Dollar zahlen. Über weite Strecken obdachlos, vermag sie die Summe nicht aufzubringen. Sieben Gerichtstermine werden im Laufe der Zeit angesetzt. Da sie zu keinem erscheint, bedeutet es jedes Mal nicht nur ein höheres Bußgeld, sondern auch einen Tag hinter Gittern. Zweimal versucht die Parksünderin das Geld in kleineren Beträgen abzustottern, aber der zuständige Richter lässt sich nicht darauf ein. Der Schuldenberg wächst, und obwohl die Frau mittlerweile 550 Dollar abgezahlt hat, steht sie noch immer mit 541 Dollar in der Kreide.

Da ist ein dunkelhäutiger Bürger der Stadt, den eine Patrouille, offenbar nach häuslichem Streit, aus seiner Wohnung abführen will. Es gebe keine Handhabe dafür, protestiert er. "Nigger, ich werde irgendwas finden, um dich einzusperren", bekommt er zu hören. "Viel Glück dabei", erwidert er sarkastisch, worauf er mit dem Gesicht gegen die Wand gestoßen wird, zu Boden geht und einer der Polizisten sich über ihn lustig macht. "Fall bloß nicht in Ohnmacht, Motherfucker, ich hab' nämlich keine Lust, dich zu meinem Auto zu tragen."

Spott für Familie Obama

Wie mancher öffentlich Bedienstete Fergusons über die Familie Obama denkt, ergibt sich aus internen E-Mails, von Holders Leuten auszugsweise wiedergegeben. Im November 2008 stichelt ein Beamter, Barack Obama werde nicht lange Präsident bleiben, "welcher Schwarze hat schon vier Jahre lang einen festen Job". Bei anderer Gelegenheit wird Obama als Schimpanse dargestellt, bei wieder anderer die First Lady primitiv verhöhnt. Ein Foto zeigt eine Gruppe barbusiger Frauen, die irgendwo in Afrika tanzen, darunter die Zeile: "Das Absolvententreffen von Michelle Obamas Highschool".

Ein junger Schwarzer protestiert vor dem Polizeigebäude in Ferguson. Kurz zuvor hatte das US-Justizministerium den Polizeikräften in der US-Stadt rassistische Diskriminierung von Afroamerikanern vorgeworfen und rasche Reformen gefordert. (Frank Herrmann aus Washington, DER STANDARD, 6.3.2015)