Die frühen Feministinnen, Arbeiterinnen für Fairness.

Foto: Library of Congress

Eines haben Feministinnen aus allen Epochen gemeinsam: Im Nachhinein gibt man ihnen gerne recht. Je größer der Zeitabstand zu den von ihnen erhobenen Forderungen, je toter die feministische Aktivistin, desto größer die Bewunderung für ihre Courage und ihre Visionen.

Die Feministin der jeweiligen Gegenwart kennt derlei Anerkennung nicht. Vor mehr als 100 Jahren geriet ein politisches Anliegen allein aufgrund der Tatsache, dass es von einer Frau formuliert wurde, in Misskredit. Unter den Nägeln brannte damals wie heute, was sie wohl antreibt. Gründe wurden oft in der Psychologie der Feministin (Männerhass?) oder gar in ihrem Äußeren gesucht, das durch Gesten des Aufruhrs dem Betrachter schnell "unfraulich" erscheint.

Das scherte die radikalen Suffragetten in England wenig. Sie schreckten nicht vor tätlichen Angriffen zurück, schlugen Schaufenster ein und gingen in den Hungerstreik. Hierzulande war die frühe Feministin gemäßigter. Bei ihrer ersten Großdemonstration für Frauenrechte am 19. März 1911 war sie um einen gesitteten Ablauf bemüht. Mit einiger Zeitverzögerung fanden ihre Anliegen Zustimmung. Das Frauenwahlrecht? Klar doch. Oder das ebenso in der Ersten Republik beschlossene Vereinsrecht, das Frauen erlaubte, sich politisch zu organisieren? Selbstverständlich.

Die düsteren Motive der Feministin

Doch spätestens ab den 1970er-Jahren sagt man der Feministin wieder einen Hang zur Übertreibung nach und vermutet düstere Motive. Der Mann trage schon zu Recht den gesetzmäßigen Titel "Familienoberhaupt" und soll über die Berufstätigkeit seiner Frau oder darüber, ob sie einen Pass haben darf, entscheiden. Mit ihrer Einmischung in "private" Angelegenheiten fängt sie sich den Ruf der Familienzerstörerin ein - der ihr noch heute anhaftet.

Politisch war sie nie nur einer Ideologie zugewandt. Sie ist und war Kommunistin, Sozialdemokratin, liberal und bürgerlich. Ihre Wahl der Instrumente zur faktischen Gleichstellung gibt rasch Aufschluss über ihre politische Ausrichtung. Seit einigen Jahren geht der Kurs für manche auch schlicht hin zur "Karriereleiter" - das ist jedoch eher die Individualistin denn die Feministin.

Heute weist sie auf das Erbe jahrhundertelanger Diskriminierung von Frauen hin, das unsere Gesellschaft trotz gesetzlicher Gleichstellung stark prägt. "Was ist das für eine Übertreibung?", vernimmt die Feministin von heute. (Beate Hausbichler, DER STANDARD, 7./8.3.2015)