Wir können viel von Afrika lernen. Vieles, was in der laufenden Berichterstattung über die Länder des Kontinents verschütt geht. Denn es gibt auch das andere Afrika. Ein Afrika, dessen Länder in zahlreichen Bereichen Vorreiter sind, etwa in der Politik, der Wirtschaft, dem Sektor der erneuerbaren Energie oder beim mobilen Zahlungsverkehr.

Politik

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Parlamentssprecherin in Südafrika: Baleka Mbete
Foto: AP/Nic Bothma

Was Frauen in der Politik betrifft, sind uns einige afrikanische Länder weit voraus. So liegt der Frauenanteil im Parlament von Ruanda bei 63,8 Prozent, das ist etwa das Doppelte von Österreich, das im internationalen Vergleich mit 30,6 Prozent weit abgeschlagen auf Platz 33 steht. Aber Ruanda ist nicht der einzige Vorreiter. Senegal liegt mit 42,7 Prozent auf Platz sieben, nur Schweden schafft es als einziges europäisches Land noch davor auf Platz fünf. Die junge Demokratie Südafrika liegt mit beachtlichen 41,5 Prozent auf Platz zehn. Alle Zahlen wurden von der Inter-Parliamentary Union erhoben und zeigen den Stand vom 1. Jänner 2015.

Bildung

Die Republik Kongo erzielte beachtliche Erfolge in Sachen Schulbildung. Zwischen 2006 und 2011 konnte sie die Zahl der Nichtschulbesucher um 81 Prozent verringern. Das stellt in puncto Bildungspolitik, wenn auch von geringem Niveau ausgehend, einen umfassenden Wandel dar und zeugt von aktuellen Investitionen in die Bildung. Österreich könnte sich – zumindest was das Engagement betrifft – einiges abschauen.

Innovation

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Mobiles Bargeld: M-Pesa
Foto: REUTERS/N. Khamis

Auch im Bereich Innovation ist Afrika beispielgebend. Gerade weil es dort keine gewachsene Bankeninfrastruktur gibt, sind Länder wie das ostafrikanische Kenia Vorreiter im Bereich mobile Zahlungsfunktionen am Handy.

Der Finanzdienst M-Pesa ermöglicht bargeldloses Zahlen mit dem Mobiltelefon. M-Pesa ist eine Wortkombination aus "M" für "Mobile" und dem Swahili-Wort "Pesa" für Bargeld. Der Dienst wird vom kenianischen Mobilfunknetzbetreiber Safaricom angeboten und ermöglicht Kunden, Geldbeträge per SMS an andere Mobilfunknutzer im Land und darüber hinaus zu schicken.

Safaricom bietet seinen Kunden in Kenia und anderen afrikanischen Ländern ein Guthabenkonto an. Tankstellen, Kioske und kleine Geschäfte dienen als Anlaufstellen, wo sich Kunden überwiesenes Geld auszahlen lassen, aber auch Geld einzahlen können. Vodafone, das 40 Prozent an Safaricom hält, testet das System bereits in Rumänien, vielleicht wird es auch einmal in Österreich zum Einsatz kommen. In Zeiten, da in Europa aus Spargründen die Bankfilialen schließen müssen und Onlinebanking sich immer stärker durchsetzt, werden Systeme wie M-Pesa zunehmend interessant.

Korruptionsbekämpfung

Auch in Sachen Korruptionsbekämpfung geht Afrika mit gutem Beispiel voran. So werden etwa in Nigeria mit dem System TAP (für "Touch and Pay") ebenfalls per Handy digitale Gutscheine für zum Beispiel Dünger und Saatgut eingesetzt. Das System garantiert, dass das Geld tatsächlich von den richtigen Personen für die dafür vorgesehenen Dinge eingesetzt wird. 3,5 Millionen Bauern verwenden es in Nigeria bereits, auch ein Einsatz in den Bereichen öffentlicher Transport und Gesundheitsvorsorge ist geplant.

Gesundheit

Der ClinicCommunicator verbessert die Kommunikation zwischen Arzt und Patient.
Access Mobile

Gerade auch im Gesundheitsbereich werden in Afrika spannende Modelle entwickelt, abseits von HIV/Aids, Ebola und anderen Schreckensmeldungen. In Uganda zum Beispiel ermöglicht es der sogenannte ClinicCommunicator Spitälern, Diabetespatienten per SMS an Medikamenteneinnahme oder Termine zu erinnern, ohne dass diese den – oft weiten – Weg ins Spital antreten müssen. Der ClinicCommunicator wurde vom Unternehmer Kaakpema Yelpaala entwickelt, der u. a. die Non-Profit-Organisation "Netzwerk für die Verbesserung der Weltgesundheit" gründete, die ebenfalls auf das Thema E-Health fokussiert.

In Uganda ist der ClinicCommunicator etwa in der Diabetesbehandlung relevant. Schätzungen zufolge gibt es in dem ostafrikanischen Land bis 2030 rund 328.000 Diabetespatienten: eine – natürlich mit Sorge zu betrachtende – Wohlstandserscheinung. Angesichts der sich in Europa abzeichnenden Überalterung der Bevölkerung und den damit einhergehenden Krankheitsbildern, zu denen auch Diabetes gehört, werden solche Systeme auch für unseren Kontinent an Bedeutung gewinnen.

Energie

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Äthiopien setzt auf Windkraft.
Foto: REUTERS/Kumerra Gemechu

An der Schnittstelle zwischen den Themen Innovation und Energie operiert "The InnerJ Solution", die vom tunesischen Unternehmer Amine Chouaieb entwickelt wurde, um Energie zu sparen. Dabei können die Verbraucher auf Wunsch per SMS verständigt werden, wenn in einem regionalen Netz gerade ein hoher Stromverbrauch verzeichnet wird: Schalten sie dann zum Beispiel ihre Klimaanlage aus oder drosseln ihren Energieverbrauch auf andere Weise, sammeln sie Pluspunkte, die ihnen gutgeschrieben werden. So wird es für den Konsumenten attraktiv, Strom zu sparen. Ein Modell, das auch bei uns Schule machen könnte.

Aber nicht nur beim Energiesparen, auch beim Einsatz erneuerbarer Energie sind einige afrikanische Länder beispielgebend. Dies ist insofern für uns alle relevant, als der Verbrauch in Subsahara-Afrika seit dem Jahr 2000 infolge des Wirtschaftswachstums (siehe Grafik) um 45 Prozent gestiegen ist (African Energy Outlook).

Um die weltweiten Klimaziele erreichen zu können, muss der Anteil erneuerbarer Energie weltweit steigen: Kenia mit bereits 82 Prozent, Tansania mit 86 Prozent, Mosambik mit 93 Prozent und Äthiopien mit 95 Prozent Anteil an der Gesamtproduktion machen es vor. Äthiopien will gar der größte Produzent erneuerbarer Energien in Afrika werden. So viel wie kein anderes afrikanisches Land investiert der Staat in Wasserkraft: 18,6 Milliarden Euro, ein ganzes Drittel seines Bruttosozialprodukts. Natürlich sind die großen Staudammprojekte nicht unumstritten. Auch muss gesagt werden, dass Äthiopien ebenso wie die Demokratische Republik Kongo, die derzeit mit 96 Prozent Spitzenreiter beim Einsatz erneuerbarer Energie ist, derzeit noch einen sehr geringen Gesamtverbrauch aufweist.

Auch die Kapverden sind beim Thema erneuerbare Energie ein mehrfach ausgezeichneter Vorreiter, gerade in Sachen Windkraft. Bis 2020 will der Inselstaat 100 Prozent seines Energieverbrauchs aus erneuerbarer Energie speisen. Österreich hält, zum Vergleich, derzeit mit 31 Prozent bei weniger als einem Drittel.

Wirtschaft

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Kakaobohnen aus Afrika.
Foto: REUTERS/H. Holland

Wirtschaftswachstum ist nicht alles und kann längst nicht mehr als alleiniges Kriterium betrachtet werden, um Wohlstand – möglichst für alle – zu messen. Deswegen sei auch ein Beispiel genannt, das illustriert, wie auf intelligente Weise die Wertschöpfung im Land bleibt: Uganda, einer der kleineren Kakaoproduzenten in Afrika, exportiert die Bohnen nicht mehr, sondern produziert daraus selbst Schokolade. (Tanja Paar, DER STANDARD, 21.3.2015)