In Johannesburg ist die Straße der Laufsteg. Jeden Samstag verwandelt sich Braamfontein rund um den Neighbourgoods Market in eine faszinierende Kulisse. Die großräumige Terrasse eines Hochhauses, in dem auf zwei Etagen Essen und Getränke aus aller Welt verkauft werden, ist für ein paar Stunden das modische Zentrum einer Stadt, die lange als eine der gefährlichsten der Welt galt.

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Braamfontein, im Norden von Johannesburg, wird von Sicherheitskräften bewacht und ist heute eine Hipster-Oase.
Foto: APA/EPA/Kim Ludbrook

In Braamfontein, im Norden von Johannesburg, merkt man davon freilich wenig. Das Viertel wird von Sicherheitskräften bewacht und ist heute eine Hipster-Oase mit schicken Fahrradgeschäften, kleinen Boutiquen und Designer-Läden - mitten in einer Stadt, die noch immer stark von sozialen Gegensätzen geprägt ist.

Einfach feiern

Aber jeden Samstag möchte man davon nichts wissen, sondern einfach feiern, sich selbst, seinen coolen Look und das Leben mit Freunden: Junge Südafrikaner in eng sitzenden Dandy-Anzügen schlürfen Sekt mit Girls, die aussehen, als würden sie in der Achtzigerjahre-Band Salt 'n' Pepa mitsingen. Angesagte Baseballkappen treffen auf arabische Tuniken, runde Sonnenbrillen auf Tropenhüte. In Johannesburg ist Kreativität gefragt, Stile, Farben und Looks werden möglichst individuell kombiniert.

"Jo'burg ist eine Streetstyle-Metropole, die Leute haben keine Angst, sich gewagt anzuziehen", sagt der südafrikanische Modejournalist Chu Suwannapha, der wegen seiner bunten Outfits "Prince of Prints" genannt wird. "Work hard, party hard and dress up - so lauten die Lebensgrundsätze von Johannesburg", sagt er. Wenn der Markt gegen 15 Uhr schließt und die ersten Müllwägen mit ihren Aufräumarbeiten beginnen, bilden sich vis-à-vis bereits Menschenschlangen vor den Bars und Clubs.

Nahtlos in die Nacht

Der Nachmittag geht nahtlos in die Nacht über: In den Lokalen werden die Rollläden heruntergelassen, damit drinnen die Livekonzerte beginnen können - die ersten bereits gegen 16 Uhr. Dennoch fühlt es sich an, als ob es weit nach Mittnacht wäre. Die Jugendlichen in Johannesburg sind extrem tanzfreudig, hier wird keine Zeit damit vergeudet, unentschlossen auf der Tanzfläche herumzustehen. Diese unbändige Energie haut einen als Besucher fast um.

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Der Neighborgoods Market in der Old Biscuit Mill in Kapstadt

Am Wochenende macht man hier Party rund um die Uhr, pendelt von einer schicken Rooftop-Bar zur nächsten und genießt den Blick über die Millionenstadt. Die meisten dieser Bars haben ein komplexes System an Öffnungszeiten, das für Außenstehende kaum zu durchschauen ist. Viele Bars sind zugleich Galerien und Shops. Im "Living Room" etwa kann man nicht nur abtanzen, sondern auch Grünzeug kaufen. In dieser relaxten "Dachoase" bilden Regale voller Pflänzchen vertikale Gärten, die zum Verkauf stehen.

Glänzende Insekten

Südafrika, das pro Jahr vier Fashion-Weeks veranstaltet, hat modisch weitaus mehr zu bieten als bunte Waxprints und Ethno-Handwerk. Bei der Fashion-Week in Kapstadt etwa wurde vor zwei Jahren der 22-jährige Nicholas Coutts als große Entdeckung gefeiert. Er zeigte elegante und trotzdem sehr alltagstaugliche Kleider im Metallic-Look, inspiriert waren seine Entwürfe, die genauso gut in Paris verkauft werden könnten, vom glänzenden Panzer afrikanischer Insekten.

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Catwalk auf einer Straße in Johannesburg
Foto: EPA/Nic Bothma

"Wir nennen diesen Trend 'Afropolitan'", sagt Mode-Experte Kyle Boshoff, der afrikanische Designer weltweit bekannter machen möchte. "Es ist ein kosmopolitischer Zugang zur afrikanischen Ästhetik. Viele junge Designer betrachten afrikanische Traditionen durch die Linse internationaler Relevanz."

Kapstadt ist entspannter

Kapstadt wiederum ist modisch das genaue Gegenteil des überdrehten Johannesburg. Man gibt sich in der Küstenstadt deutlich zurückgelehnter, setzt auf entspannten Freizeitlook anstatt auf gewagte Stilkombinationen. "In Kapstadt brezelt man sich nicht so gerne auf", bestätigt Modejournalist Suwannapha. "Alles muss möglichst bequem sein, Kapstadt ist ein bisschen wie Miami."

Am besten lässt sich das auch dort am Neighbourgoods-Market beobachten, der eigentlich 2006 in Kapstadt seinen Ausgangspunkt genommen hat, bevor in Johannesburg ein Ableger eröffnet wurde. In Kapstadt ist es kein Hochhaus, sondern die "Old Biscuit Mill", eine altes Fabriksgelände, das jeden Samstag als Lebensmittelmarkt fungiert.

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The Old Biscuit Mill in Kapstadt, eine ehemalige Keksfabrik

Die ehemalige Keksfabrik liegt im angesagten Viertel Woodstock, wo in den letzten Jahren viele Kreative ihre Designer-Shops, Streetart-Galerien und Frühstückscafés in anderen alten Fabriken eröffnet haben. Ein wenig erinnern die Stände mit frischem Brot, hausgemachten veganen Torten und biologischen Keksen an den Wiener Naschmarkt. Die Besucher tragen Jeans und Sneakers, nichts modisch sonderlich Aufregendes, und schleppen ihre Bio-Einkäufe um 15 Uhr brav nach Hause. Nachmittagsclub gibt es keinen in der Nähe. In Kapstadt ist Chillen angesagt, zur Party fährt man besser nach Johannesburg. (Karin Cerny, DER STANDARD, 27.3.2015)