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Immer wieder und weltweit: der Equal Pay Day. In Deutschland fand er am 20. März statt, in Österreich ist es am 31. März so weit.

Foto: EPA/FACUNDO ARRIZABALAGA

Letzte Woche war in Deutschland Equal Pay Day, nächste Woche, am 31. März, findet er in Österreich statt. Ich hänge mit dieser Kolumne also genau zwischen den symbolischen Terminen zur Versinnbildlichung der Ungleichbezahlung von Männern und Frauen. Im Niemandsland der Gehaltsschere. Grund genug, sich die ganze Sache einmal genauer anzuschauen. In Deutschland ist es ziemlich normal, dass anlässlich dieses Tages darüber gestritten wird, ob die Gehaltsschere nun wirklich real ist oder herbeigeredet.

Neu hingegen ist die Vehemenz, mit der die Auseinandersetzung geführt wird, und die Präsenz des Themas in den Medien. Bei Günther Jauch, der mehr verdient als seine Kolleginnen Illner und Maischberger zusammen, wurde darüber diskutiert. In den meisten Zeitungen ließen sich Kommentare und Statistiken dazu finden, ob das nun wirklich die gleiche Arbeit sei, für die Frauen schlechter bezahlt werden, und falls ja, in welchem Umfang.

Und auf Twitter verstieg sich Deutschlands ehemalige Familienministerin Kristina Schröder zu der Aussage, dass Frauen mitnichten weniger als Männer für die gleiche Arbeit verdienen würden, weil ja Unternehmen sonst nur noch Frauen einstellen müssten – um Lohnkosten zu sparen.

Woher kommt das? Wieso muss die eine Seite Jahr für Jahr auf ein Problem hinweisen, das eigentlich aus der Welt geschafft sein sollte, während sich die andere Seite alle Mühe gibt, immer noch heftiger Fakten zu bestreiten, die niemand Geringerer als die OECD zusammengetragen hat? Anscheinend ist für Menschen wie Kristina Schröder die Expertise dieser Organisation nur dann gegeben, wenn sie im Ausland tätig ist, aber nicht, wenn sie die deutsche Gesellschaft untersucht.

Der Preis: Eine massive Gegenbewegung

Der Grund dafür ist ein ziemlich guter: Der Wunsch nach und das Verständnis für die Notwendigkeit von Gleichberechtigung dringen langsam, aber sicher in die Mitte der Gesellschaft. Selbst die "Bild"-Zeitung berichtet zum Equal Pay Day über Jobs, bei denen die Gehaltsschere besonders weit auseinanderklafft. Und selbst die Wählerschaft der Partei, die sich in der Führung immer noch starrsinnig weigert, Schwule und Lesben vollständig gleichzuberechtigen, ist mehrheitlich der Meinung, dass das längst hätte geschehen müssen.

Allerdings ist der Preis, den wir alle dafür zu zahlen haben, sehr hoch: Gerade weil so viele Strukturen und Verhältnisse in Bewegung und in Auflösung begriffen sind, gibt es eine massive Gegenbewegung, die genau das mit dem Argument zu verhindern versucht, dass man ja schon alles erreicht habe.

Dass das nicht nur eine sachlich unrichtige Behauptung, sondern auch noch eine ziemliche Frechheit ist, ficht die Betreffenden, die ganz gewiss nichts zum Erreichen von gleichberechtigungspolitischen Zielen beigetragen haben, nicht an. Außerdem entscheiden sich Frauen in ihren Augen ja ganz "bewusst und freiwillig", auf den ganzen Stress mit Führungspositionen und Gehaltsverhandlungen zu verzichten. Weil sie irgendwie viel weicher und gefühlvoller sind. Und vor allem: der Kinder wegen.

Wirkliche statt "Wahlfreiheit"

So ist das nämlich: Nur Frauen haben Kinder. Man weiß nicht genau, wie oder von wem, aber es ist ein Ärgernis und jobmäßig ein echtes Problem. Deswegen ist es auch eine besonders tolle Sache, dass der CEO von Microsoft, Satya Nadella, letztes Jahr verlauten ließ, Gehaltsverhandlungen seien nicht gut für das Karma von Frauen. Geldverdienen ist doch unweiblich. Auf Maschinen aufpassen auch. Deshalb ist es umso wichtiger, dass Menschen, die Maschinen beaufsichtigen, mehr verdienen als diejenigen, die Kinder betreuen. Damit es sich zumindest so anfühlt, als ob alles beim Alten geblieben wäre. Und damit man mental die Ära vor 1977 nicht verlassen muss, als Frauen nur einen Beruf ergreifen durften, wenn sie "ihre häuslichen Pflichten nicht vernachlässigten".

Im Grunde versucht man ihnen das heute immer noch aufzuschwatzen: Arbeiten ja, aber nur, wenn du dich auch um das Haus und die Kinder kümmerst. Nur dass man das inzwischen als Wahlfreiheit bezeichnet – also entweder das klassische Hausfrauendasein mit massiven Renteneinbußen und wenig bis gar keiner Wertschätzung für Erziehungsarbeit oder die moderne Frau, die überall Verantwortung zu übernehmen hat. Wirkliche Freiheit würde jedoch bedeuten, dass seine Karriere so viel oder wenig Familienzeit verkraftet wie ihre. Dass Eltern gleichberechtigt Verantwortung für Kinder übernehmen. Und dass Löhne kein Geschlecht mehr haben. Die gute Nachricht ist, dass wir auf dem Weg dorthin sind. Die schlechte ist, dass es noch einige Equal Pay Days lang dauern wird. (Nils Pickert, dieStandard.at, 26.3.2015)