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Knackpunkt des Gesetzesentwurfs: Diversion soll unter erschwerenden Umständen nicht mehr möglich sein. Diese liegen demnach vor, wenn es sich um Gewalt oder gefährliche Drohung gegen Angehörige und Ex-Partner handelt.

Foto: dpa/Maurizio Gambarini

Wien - Als Herr G. nach einem Gasthausbesuch heimkommt, eskaliert ein seit Monaten schwelender Konflikt mit seiner Frau. Der Oberkärntner schlägt sie, sie ruft die Polizei. Herr G. wird weggewiesen. Die Staatsanwaltschaft schlägt später einen Tatausgleich vor. Geht es nach dem Strafrechtsänderungsgesetz, dessen Entwurf seit vergangener Woche zur Stellungnahme aufliegt, sollen Fälle wie dieser künftig zwingend vor dem Richter landen.

In Österreich führt der Verein Neustart Tatausgleiche durch. Dabei stellt ein Sozialarbeiter den Kontakt zwischen Beschuldigtem und Opfer her. Bei etwa einem Drittel beziehungsweise rund 2000 der jährlich zugewiesenen Fälle handelt es sich laut Neustart um häusliche Gewalt. Diese kann zwischen Eheleuten, Lebensgefährten und eingetragenen Partnern auftreten, die auch bereits getrennt sein können.

"Geringe Rückfallrate"

Neustart verweist auf Studien, die dem Tatausgleich gute Erfolge bescheinigen. So gebe es gerade für die Delikte,die von einer Streichung betroffen wären, eine Rückfallquote von unter zehn Prozent. "Keine andere Reaktionsform bewirkt eine auch nur annähernd so geringe Rückfallrate", heißt es in der Stellungnahme des Vereins, der zudem eine "einschneidende Reduktion des Opferschutzes" sähe. Laut einem am Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie erstellten Forschungsbericht, der 2009 im Auftrag von Neustart erstellt wurde, gaben 80 Prozent der Opfer an, sie hätten sich überwiegend (25 Prozent) oder sehr gut (55 Prozent) von den Konfliktreglern unterstützt gefühlt.

Voraussetzung für den Tatausgleich ist, dass Beschuldigte bereit sind, ihre Tat einzugestehen und den Schaden wiedergutzumachen. Prinzipiell kommen nur "weniger schwere Delikte" infrage. Opfer sollen die Möglichkeit erhalten, Wünsche und Interessen zu formulieren. Auch Schadenersatz kann gefordert werden. Die Teilnahme ist auf beiden Seiten freiwillig.

Erschwerende Umstände

Knackpunkt der vorliegenden Gesetzesvorlage ist, dass Gewaltakte gegen Angehörige als erschwerend gelten würden und daher von Diversion ausgenommen wären. Auch für eine Drohung in Anwesenheit eines Kindes stünde im aktuell vorliegenden Entwurf bereits ein Gerichtsprozess an.

"Den Tatausgleich gerade in Fällen, wo er gut funktioniert, abzuschaffen ist völlig unsachlich", meint Helmut Fuchs vom Institut für Strafrecht in Wien. Gerade bei häuslicher Gewalt bestehe eine Beziehung zwischen Täter und Opfer und damit ein Konflikt - anders als beispielsweise bei einem Räuber, der einen Fremden auf der Straße überfällt. "Ich erwarte mir, dass das noch ausgebügelt wird", sagt Fuchs. Der Strafrechtsexperte kündigte an, noch eine entsprechende Stellungnahme an das Ministerium zu übermitteln.

Selbst in Deutschland löst der Entwurf Verwunderung aus: Der Leiter des Servicebüros für Täter-und-Opfer-Ausgleich in Köln, Gerd Delattre, schreibt in einer Stellungnahme, dass der Tatausgleich, wie er in Österreich stattfindet, "bei Fällen im häuslichen Umfeld Vorbild in ganz Europa ist". Gerade deshalb sei man verwundert, "dass momentan ein Gesetzentwurf diskutiert wird, der den Tatausgleich bei Gewalt in Partnerbeziehungen für eine Konfliktregelung gänzlich ausschließt".

Ministerium nimmt Kritik "sehr ernst"

Allerdings ist noch längst nicht das letzte Wort gesprochen: Aus dem Büro des Justizministers Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hieß es am Mittwoch, man werde sich die Stellungnahmen "ganz genau" ansehen. Man nehme die Kritik von Neustart "sehr ernst".

Weit weniger positiv ist der Blick auf die Methode des Tatausgleichs bei häuslicher Gewalt aufseiten des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser. Sich noch einmal so mit dem Täter konfrontieren zu müssen sei für Frauen oft schwierig, sagt Geschäftsführerin Maria Rösslhumer. Auch dass es dann am Opfer liege, eventuell trotz der gerichtlichen Entscheidung für einen Tatausgleich eine Gerichtsverhandlung zu verlangen, bringe Frauen in eine schwierige Lage.

Die Begutachtung des Strafrechtsänderungsgesetzes läuft bis 24. April. (Gudrun Springer, DER STANDARD, 2.4.2015)