Auf sogenannten "Slut Walks" demonstrierten 2012 Frauen auf der ganzen Welt - hier in Berlin - gegen sexuelle Gewalt im öffentlichen Raum. Das Grapschen soll in Österreich künftig auch strafbar sein, wenn der Griff nicht direkt auf ein Geschlechtsorgan erfolgt.

Foto: Joseph Kaczmarek/dpd

Wien – Für Kritik mehrerer Strafrechtler sorgt ein Gesetzesentwurf, der Pograpschen unter Strafe stellen soll. Sexuelle Belästigung war schon bisher strafbar, doch blieben Übergriffe bisher folgenlos, wenn kein Geschlechtsorgan betroffen war. Anders gesagt: Wer einer Frau von vorne in den Schritt fasste, konnte verurteilt werden – wer ihr auf den Hintern griff, nicht. Diesen Umstand wollte Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) ändern – und sie könnte Erfolg haben, wenn der Entwurf für den erweiterten Tatbestand "Sexuelle Belästigung" das Begutachtungsverfahren übersteht.

Dann sind nämlich nicht nur "geschlechtliche Handlungen" an einer Person, sondern auch Handlungen, die "der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörig" sind, strafbar, wenn sie belästigend sind. Laut Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs von der Uni Wien ist die Ausweitung untragbar. Er hält den Entwurf nicht nur für "viel zu unbestimmt formuliert", es könnten damit auch unerwünschte Umarmungen oder Annäherungen beim Tanzen strafbar werden, glaubt er. "Da geht es um Handlungen, die nicht vor den Strafrichter gehören", so Fuchs: Konsequenzen bei Übergriffen gebe es schon jetzt, etwa im Arbeitsrecht, im Disziplinarrecht und im Polizeistrafrecht.

Flüchtige Berührungen

Anders sieht das Alexandra Schmidt, Frauenbeauftrage der Stadt Salzburg: "Es muss auch im Privaten Schutz vor Unrecht geben." Schließlich seien auch leichte Eingriffe ins Vermögen wie der Diebstahl eines Bleistifts strafbar – bei Eingriffen in die sexuelle Integrität dürfe es nicht anders sein.

Die Befürchtung, dass jeglicher Körperkontakt durch den neuen Straftatbestand kriminalisiert werde, teilt Strafrechtlerin Katharina Beclin nicht: Flüchtige Berührungen seien auch weiterhin nicht strafbar – selbst wenn die Berührung auf eine empörte Reaktion stößt. Die Judikatur würde die Frage, was zur "sexuellen Sphäre" gehört, nämlich sehr eng auslegen und einen intensiven Körperkontakt verlangen. Sie beruft sich auf gängige Rechtsprechung, wenn sie sagt: "Da müsste man schon eine Zeitlang mit der Hand am Po bleiben, kneten, zwicken oder Ähnliches tun." Es sei sogar "zu befürchten, dass Fälle, die von der großen Mehrheit der Frauen klar als sexuelle Belästigung empfunden werden, nicht unter diesen Tatbestand subsumiert werden".

"Keine Grapschflächen"

Das Frauenministerium betont, es gehe nicht um eine Kriminalisierung eines Flirts, sondern um vorsätzliche Grenzüberschreitungen. Alles sei erlaubt, solange es im Einvernehmen passiert. Fast jede dritte Frau in Europa habe aber schon unerwünschte Berührungen wie Küssen oder Pograpschen erlebt, in einer modernen Gesellschaft sei das untragbar, heißt es im Ministerium: "Frauenkörper dürfen keine Grapschflächen sein."

Befürworterinnen argumentieren zudem, es sei nicht einzusehen, dass zwar Beschimpfungen strafbar sind, nicht aber tätliche Übergriffe, die von den Betroffenen als mindestens genauso verletzend empfunden werden. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) ist offen, Einwände einzuarbeiten. Die Begutachtung läuft bis 24. April, ab 2016 soll das Gesetz gelten. (Beate Hausbichler und Maria Sterkl, dieStandard.at, 3.4.2015)