Krankenschwester Juliet Mbale klärt Frauen in der ugandischen Hauptstadt Kampala über Verhütungsmethoden auf.

Foto: Cigdem Akyol

Imam Ali Juma Shiwuyo denkt in der Moschee über Erektion nach: "Hauptsächlich dient der Geschlechtsverkehr der Kinderproduktion." Priester Alfred Wonyaka fragt sich in einem Café, wie er seine Landsleute zu weniger Zweisamkeit bewegen kann: "Wer lange im Dunkeln ist, hat mehr Sex. Deshalb brauchen wir mehr Licht." Nonne Mary Goretti Kisakye referiert in einem Restaurant über die Lust ihrer Mitmenschen: "Enthaltsamkeit ist der beste Weg, um nicht schwanger zu werden."

Der Imam (35), der anglikanische Priester (29) und die katholische Nonne (52) leben in Kampala, der Hauptstadt Ugandas. Von hier aus wollen sie etwas ändern in den Betten ihrer Mitmenschen. "Natürliche Familienplanung" lautet das Stichwort und "Faith in Action" der Zusammenschluss von religiösen Gelehrten aller Richtungen, von denen jeder auf seine eigene Weise neue Wege für die Geburtenkontrolle und Familienplanung finden will, ohne die moralischen Grundsätze von Koran oder Bibel zu verletzten.

Ratschläge in der Moschee

So werden in der Gaddafi-Moschee, einer gigantischen Hinterlassenschaft des 2011 getöteten libyschen Diktators, Sprechstunden zum Thema Sexualität angeboten. Mann und Frau können sich getrennt Rat holen, wenn sie in ihrem Intimleben nicht mehr weiterwissen. Die Muslime wollen erreichen, dass sich die Ugander nicht ungeplant vermehren. "Männer müssen sparsam sein mit ihrem Sperma, sonst verlieren sie die Kontrolle" , lautet der Ratschlag Ali Juma Shiwuyos.

Weil Stromausfälle laut Alfred Wonyaka schlecht für die Geburtenkontrolle sind, hat er Spenden für insgesamt 300 Solarzellen gesammelt, und diese in seiner Gemeinde aufgestellt: "Im Dunkeln haben die Menschen nichts zu tun, und der Prozess beginnt automatisch. Wer im Hellen lebt, der hat weniger Gelegenheiten, sich unkontrolliert zu vermehren."

Um ungewollte Schwangerschaften zu vermeiden, wird in der Gemeinde von Mary Goretti Kisakye knallhart kalkuliert. "Wir gehen mit den Paaren deren finanzielle Situation durch, um ihnen zu zeigen, dass sie keine Mittel für noch mehr Kinder haben", antwortet die Schwester schüchtern. "Gott hat uns die Kraft zur Selbstkontrolle geben." Wer sich trotzdem nicht enthalten kann, wird von ihrer Organisation mit Mikrokrediten unterstützt. Alle drei lehnen Verhütungsmittel ab, Kondome dürfen nur verwendet werden, wenn einer der Partner HIV-positiv ist.

Krankenschwester klärt auf

Für Juliet Mbale sind dies alles keine ausreichenden Maßnahmen, um Schwangerschaften zu reduzieren. Deshalb klärt die 30-jährige Krankenschwester in einem Gesundheitszentrum in Kampala Frauen über Verhütung auf. Männer trauen sich kaum hierher. "Manche erwarten bis zu zehn Kinder von ihren Partnerinnen, von Familienplanung wollen sie nichts hören", erklärt Mbale.

In einem rosa Kittel steht sie vor etwa 50 Frauen im Schatten eines Wellblechdachs. Energisch hält sie eine Pillenpackung hoch, anhand einer Banane zeigt sie, wie Kondome benutzt werden. Die Frauen auf den Bänken tuscheln, grinsen, viele genieren sich, wenn so offen über Sex gesprochen wird. Uganda ist ein konservatives Land. 80 Prozent sind Christen und weitere zehn Muslime.

Das ostafrikanische Land mit seinen 39 Millionen Einwohnern ist ein junger und armer Staat, 50 Prozent der Bevölkerung sind unter 14 Jahre alt, 25 Prozent der Ugander müssen mit umgerechnet einem Euro am Tag auskommen. Eine Frau bekommt hier im Schnitt 5,97 Kinder, jede zweite Schwangerschaft ist ungeplant, und Abtreibungen sind illegal.

Bleibt es bei dieser Entwicklung, wird sich die Einwohnerzahl bis zum Jahr 2050 verdreifachen. Langsam entsteht aber ein Bewusstsein für dieses Thema, mittlerweile gibt es Stimmen aus den Oppositionsparteien, die eine Vier-Kinder-Politik fordern, und seit 2012 investiert die Regierung knapp fünf Millionen Euro jährlich in Familienplanung. Widerstand leisten aber konservative Christen und Muslime, die Familienplanung und Geburtenkontrolle für Teufelszeug halten.

Was sollen die Frauen machen, wenn sie keine Kinder mehr wollen, der Ehemann aber darauf beharrt? "Dann muss sich die Frau dem Willen des Mannes beugen", sagt Imam Ali Juma Shiwuyo, und schiebt hinterher: "Wenn die Frau nicht will, kann der Mann mehrere Frauen heiraten." Priester Alfred Wonyaka antwortet: "Jede Schwangerschaft ist von Gott gewollt, deswegen ist Abtreibung eine Sünde." Schwester Mary Goretti Kisakye beharrt auf die Enthaltsamkeit. Juliet Mbale empfiehlt ganz simpel: "Dem Partner einfach den Rücken zudrehen." (Cigdem Akyol aus Kampala, DER STANDARD, 4.4.2015)