Feminismus sollte die Differenzen unter Frauen ernst nehmen.

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Im Transcript-Verlag ist vor einiger Zeit der Sammelband "Feminismen heute" erschienen, bei dem es etwas Zeit gebraucht hat, bis ich durch war, den ich aber allen empfehlen möchte, die sich mit den Entwicklungen und Veränderungen der Frauenbewegung beschäftigen. Es ist ein Sammelband, der auf eine Tagung zum Thema zurückgeht, und mit 28 unterschiedlichen thematischen Beiträgen entsprechend uneinheitlich.

Aber wenn sie auf einen Nenner gebracht werden sollten, dann wäre es vermutlich der, die in den 1970ern entwickelten Ansätze des radikalen Feminismus heute, vierzig Jahre später, zu aktualisieren. Großen Raum nimmt dabei die Auseinandersetzung mit Differenzen ein, eine Korrektur der damals doch verbreiteten Annahme, es gebe ein "Wir" der Frauen mit gemeinsamen Interessen, die die Frauenbewegung zu verteidigen hätte.

Differenzen unter Frauen im Fokus

Dass Feminismus hingegen gerade die Differenzen unter Frauen nicht nur ernst nehmen, sondern sogar ins Zentrum stellen sollte, wird in dem Sammelband mit Beiträgen zu schwarzem feministischem Denken, Queerfeminismus, muslimischen Positionen, Überlegungen zu Dis/Ability und so weiter deutlich.

In einem zweiten Kapitel werden verschiedene Themen behandelt, in denen neue feministische Entwicklungen und Analysen stattgefunden haben, wie etwa Medien, Mutterschaft, Körper, Ökonomie, Arbeitsmarkt, Recht, Medizin.

Kritische Betrachtung

Am interessantesten fand ich diejenigen Texte, die bestimmte Überzeugungen des Feminismus der 1970er-Jahre aufgreifen und einer kritischen Revision unterziehen, wie zum Beispiel der Text von Mithu M. Sanyal über Vergewaltigung, bei dem sie darauf aufmerksam macht, dass die allzu eindeutige Konstruktion von Frauen als Opfern und Männern als Tätern auch eine Verfestigung von Stereotypen war und das Ganze komplexer gesehen werden muss. Ebenfalls lesenswert sind die Reflexionen zur Konzeption von feministischen Projekten wie Frauenhäusern oder Mädchenarbeit.

Wie gesagt: ich finde, eine unverzichtbare Lektüre für alle, die sich mit feministischen "Trends", mit Gleichstellungspolitik oder Ähnlichem beschäftigen. (Antje Schrupp, dieStandard.at, 10.4.2015)