"Nachdem ich die Erste hier in der WG war, durfte ich mir mein Zimmer aussuchen. War ja klar, dass ich das Eckzimmer nehme!" Johanna Spielauer in ihrem selbstgestalteten Reich.

Foto: Lisi Specht
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Johanna Spielauer und Johann Paternusch sind Pensionisten. Das Ungewöhnliche daran: Sie wohnen in einer Senioren-WG in Wien-Simmering. Dank der Betreuung des Wiener Hilfswerks können sie einen freien, selbstständigen Lebensalltag führen - ob mit oder ohne Rollator.

Die beiden Protagonisten in der nicht ganz so jungen WG könnten unterschiedlicher nicht sein. Wojciech Czaja hat die Doppelconference aufgezeichnet.

Johanna: Ich habe früher im dritten Bezirk gewohnt, allein in einer Altbauwohnung. Meine Tochter hatte dann, nachdem ich einen Dreifach-Deckblatt-Einbruch in der Wirbelsäule hatte und das Bad in meiner alten Wohnung nicht mehr benutzen konnte, die Idee, dass ich in diese Wohngemeinschaft ziehe. Jetzt bin ich also hier, seit Herbst letzten Jahres. Und vor einem Monat ist Herr Paternusch eingezogen.

Johann: Ja, also ich bin der Herr Paternusch. Früher habe ich auch schon einmal hier in Simmering gewohnt. Ich bin, wenn man so will, ein Simmeringer Urgestein. Zuletzt habe ich in einer WG im vierten Bezirk gewohnt, und jetzt, tja, jetzt bin ich wieder hier in Simmering. Ich muss schon sagen, dass sich der Bezirk stark verändert hat. Früher gab's hier Wirte und Beisln an jedem Eck, jetzt ist das Angebot irgendwie internationaler, schon ziemlich gut, wie ich finde.

"Soll ich Ihnen was sagen? Diese WG ist das Beste, was es gibt!" Johann Paternusch (73) und Johanna Spielauer (80) im Wohnzimmer. (Bildansicht durch Klick vergrößern)
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Johanna: Ich wohne schon gern hier. Aber ich geh ja auch fast nicht mehr raus aus der Wohnung. Das ist ziemlich anstrengend, wenn man mit dem Rollator unterwegs ist. Dafür ist die Wohnung wirklich hübsch.

Johann: Und praktisch ist sie! Es gibt keine Stufen, alles ist eben, und Frau Spielauer kann überall hinrollen.

Johanna: Es könnten halt noch mehr Leute hier einziehen. Platz gibt es ja noch genug.

Johann: Ich wünsche mir junge Frauen.

Johanna: Herr Paternusch!

Johann: Wünschen darf man sich's ja! Aber ich glaub, das ist schon eher recht unrealistisch. Eine 30- oder 40-jährige Dame wird wohl kaum in eine seniorenlastige Institution ziehen. Na ja, eine junge, fesche 70-Jährige ist auch okay.

Johanna: Ich hätte auch lieber noch Frauen. Dann hätte ich endlich jemanden G'scheiten zum Tratschen.

Johann: Ich red doch eh viel ... Ach, es ist ein schönes Wohnen hier. Mir ist das Leben in der Wohngemeinschaft viel lieber, als allein daheim zu hocken und nichts zu tun. Und so hat man zumindest Gesellschaft und ist unter sich. Die einen sind noch superfit, die anderen ein bisschen langsamer, und dann hilft man sich, und die Heimhilfe kommt auch vorbei.

Johanna: Ich finde es gut, dass wir zusammenwohnen. Ich brauche keine Angst mehr zu haben, dass ich stürze. Wenn ich hinfalle, rufe ich entweder den Herrn Paternusch, oder ich löse den Alarmknopf meiner Armbanduhr aus, dann werde ich sofort mit dem Notruf verbunden. In der Gemeinschaft zu wohnen ... das ist sicherer. Und lustiger ist es auch.

Johann: Die Frau Spielauer wohnt ja schon viel länger hier. Ihr Zimmer ist schön eingerichtet.

Johanna: Na ja, das sind ja eh die ganz normalen Möbel. Ein kleines Kasterl ist von mir. Und die Vorhänge auch. Und über dem Bett habe ich Fotos von meiner Familie - von meinen Kindern, von meinen Enkelkindern und von meinen beiden Urenkerln, denn ich bin schon Uroma! Ich finde mein Zimmer sehr gemütlich, muss ich schon sagen. Das ist ein Eckzimmer. Nachdem ich die Erste hier in der WG war, durfte ich mir mein Zimmer aussuchen. War ja klar, dass ich dieses hier nehme.

Johann: Mein Zimmer ist eher praktisch und zweckmäßig eingerichtet. Vorhänge, Farben und so weiter, das fehlt mir noch. Raummäßig bin ich noch nicht ganz angekommen. Das dauert bei mir ein wengerl. Ich bin ja nur ein männliches Wesen.

Johanna: Na ja ...

Johann: Na schon! In der vorigen WG hatte ich mir mal selbst ein Regal gebastelt. Das war ein Regal aus alten, leeren Tschickpackln. War sehr stabil und gratis, kostet ja nix. Das Geld für die Zigaretten darf man halt nicht mitberücksichtigen. So gesehen war das das teuerste Regal überhaupt.

Johanna: Das Regal, Herr Paternusch, haben Sie aber nimmer ...

Johann: Ist schon kaputt. Soll ich Ihnen was sagen? Diese Senioren-WG ist das Beste, was es gibt! Erstens ist man nie allein, aber man kann allein sein, wenn man die Zimmertür hinter sich zumacht, und zweitens ist man frei und ungebunden. Niemand sagt mir, wann ich essen muss und wann ich wo zu sein habe oder fortgehen darf oder nicht, so wie das manchmal in Altersheimen ist. Diese Freiheit genieße ich. Mit dieser Freiheit fühle ich mich wie ein junges Büblein. So kann ich existieren! (DER STANDARD, Open Haus, 29.4.2015)