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In der Debatte um die Gleichstellung werden immer wieder dieselben Argumente hervorgeholt.

Foto: APA/HELMUT FOHRINGER

Isa Sonnenfeld von Twitter Deutschland hat in einem Interview mit "Edition F" in einem Satz exemplarisch anschaulich gemacht, warum das Konzept "Gleichstellung" meiner Ansicht nach einen falschen symbolischen Ansatz fährt. Sie antwortet auf die Frage, warum Twitter in seiner Führungsspitze kaum Frauen hat:

"Die Vielfalt der Mitarbeiter und gerade die Förderung von Frauen gehört mittlerweile zu einer der Prioritäten bei uns. Wir wissen, dass es nicht nur das Richtige ist – es macht auch wirtschaftlich Sinn für Twitter. Studien haben gezeigt, dass ein gemischtes Team bessere Entscheidungen trifft und Frauen in Führungspositionen bessere finanzielle Resultate erzielen. Twitter ist natürlich keinesfalls immun gegen die weltweiten Entwicklungen im Technologiebereich, das heißt ein fehlendes Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen im Unternehmen, aber wir arbeiten hart daran, den Trend in eine andere Richtung zu lenken."

Bullshit-Bingo ist hier keine Metapher

Hier die drei Bullshit-Bingos des Gleichstellungsdiskurses, die in diesem kurzen Absatz so schön auf den Punkt gebracht sind, aber natürlich nicht nur hier vorkommen. Sie sind inzwischen mehr oder weniger Standard, wenn es um das Thema geht. Ich habe manchmal den Eindruck, dass sich dabei bestimmte Diskurs-Versatzstücke verselbstständigt haben und immer wieder nachgeplappert werden – daher ist Bullshit-Bingo auch nicht als Metapher zu verstehen.

1: Der Ansatz "Förderung von Frauen" ist allertiefste Achtziger. Ich weiß, dass in vielen Unternehmen noch geglaubt wird, die Ursache der dortigen Männerdominanz sei ein Defizit weiblicherseits, weshalb die armen, minderbemittelten Frauen "gefördert" werden müssten. Genau dieser Blick auf Frauen und auf die Geschlechterdifferenz ist aber ein wesentlicher Teil des Problems. Wer heute noch so an die Sache herangeht, ist jedenfalls auf einem völlig falschen Gleis. Nicht Frauen haben Defizite und müssen also gefördert werden, sondern die Unternehmenskultur hat Defizite und muss also verändert werden. Der Begriff "Frauenförderung" kommt in dem Interview übrigens noch mehrfach vor, sowohl in den Fragen als auch in den Antworten.

2: Der Wunsch, mehr Frauen in einem Unternehmen zu haben, wird mit wirtschaftlichen Interessen und der Aussicht auf mehr Gewinn gerechtfertigt. Frauen haben aber nicht die Aufgabe (und Feministinnen schon gar nicht), den Kapitalismus zu verbessern oder den Gewinn von Unternehmen zu erhöhen. Allerdings wurde Isa Sonnenfeld ja nicht als Feministin, sondern als Repräsentantin von Twitter interviewt, von daher ist ihre Antwort völlig legitim. Sie zeigt aber, dass wir von Unternehmen nur so lange Rückenwind in Geschlechterdingen zu erwarten haben, wie wir belegen können, dass sich das für sie "rechnet." Von einem sich als feministisch verstehenden Magazin wie "Edition F" hätte ich mir jedoch doch die eine oder andere kritische Rückfrage erwartet.

3: Das "Das ist eben so"-Argument. Denn natürlich kann Twitter nichts dafür, dass es dort keine Frauen gibt, ha ha, sondern es ist hier nur selber Opfer "der weltweiten Entwicklungen im Technikbereich". Aber Twitter stellt sich dem mutig entgegen und "arbeitet hart daran", sich dieser bösen Welt, für die es ja gar nichts kann, entgegenzustemmen. Vermutlich sollen wir den Helden von Twitter dafür jetzt auch noch dankbar sein.

Kabarettprogramm?

Thanks, but no thanks. Stattdessen noch einen Satz aus dem Interview, der sich eins zu eins in ein Kabarettprogramm aufnehmen ließe:

"Wir haben bei Twitter eine ganze Reihe von Arbeitsgruppen und Initiativen, die sich für mehr Diversity und Equality starkmachen. Dazu zählen beispielsweise die 'Super Women At Twitter' – kurz SWAT –, Womeng und Wux. Womeng ist angetreten, um mehr Softwareentwicklerinnen zu Twitter zu holen beziehungsweise dort zu halten. Wux steht für "women in UX" und macht sich zum Ziel, mehr Frauen für die Arbeit in unseren Designteams zu begeistern."

Zwei wichtige Nachträge

PS: Wer ein Wort wie "Frauenförderung" ohne Facepalm im Mund führen kann, spricht über Frauen auch konsequenterweise im generischen Maskulinum. Ich glaube, es geht hier nicht nur um eine Sprachkonvention, sondern um einen wirklich inhaltlichen Konflikt über die Aufgaben und die Ausrichtung von Feminismus. Substanzielle (feministische) Gesellschaftskritik ist weder im generischen Maskulinum noch unter dem Frauenförderungsparadigma denkbar.

PPS: Wie Gleichstellung praktisch und symbolisch besser geht, lässt sich in dem neuen Buch von Anke Domscheit-Berg ("Ein bisschen gleich ist nicht genug") nachlesen. Ihr gelingt es, das Konzept Gleichstellung aus den Achtzigern in die Jetztzeit weiterzuentwickeln, und zwar unter Einbeziehung feministischer Debatten der vergangenen Jahre. Das Buch macht mich jetzt noch nicht unbedingt zu einem glühenden Fan der Gleichstellung, aber immerhin doch hoffnungsvoll, dass Gleichstellung nicht immer in eine falsche Richtung zielen muss, sondern durchaus die Freiheit der Frauen auch befruchten und vergrößern kann. (Antje Schrupp, 8.5.2015)