Graz – Die rechtsextreme Gruppe der Identitären macht wieder mit Aktionismus von sich reden. Am Montag bewarb sie per Presseaussendung Aktionen. In "Wien, Graz, Linz, Leoben, Leibnitz, St. Pölten, Innsbruck und anderen Städten" habe man am Wochenende Transparente mit Sprüchen wie "Fremd im eigenen Land?" unter anderem an Brücken angebracht.

Eine ihrer bereits bekannten Störaktionen zogen die Identitären am Montag an der Uni Graz durch. Dort veranstalte der Verband Sozialistischer Studentinnen und Studenten (VSStÖ) die Präsentation des Buches "Rechte Kulturrevolution", das Natascha Strobl, Aktivistin der "Offensive gegen Rechts", gemeinsam mit Kathrin Glösel und Julian Bruns geschrieben hat. In einer Stellungnahme berichtete der VSStÖ am Dienstag, dass man zuvor Zählkarten für die Buchpräsentation ausgeteilt habe, da die Autorinnen "bereits mehrmals anonymen Mord- und Vergewaltigungsdrohungen ausgesetzt waren" .

"Hätten körperliche Gewalt einsetzen müssen"

Als trotzdem Mitglieder der Identitären-Bewegung auftauchten, bat man diese, den Hörsaal zu verlassen – aus Angst davor, dass Filme und Fotos, die die Identitären machten, in einschlägigen Kreisen verbreitet werden könnten. Laut VSStÖ blieb die Aufforderung ungehört, worauf man die Polizei rief. Die aber wollte nicht einschreiten.

Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, als die Autoren ein anderes Buch über die Identitären präsentierten und diese - laut Veranstalter - auch nicht bedrohlicher waren als an diesem Montag, war die Polizei sehr wohl eingeschritten und hatte sogar den Verfassungsschutz beigezogen. "Diesmal haben sie damit argumentiert, dass wir das Hausrecht haben und die Leute gerne rausschmeißen können. Wenn dann etwas passieren würde, könne die Polizei eingreifen", sagt Veranstalter Paul Ziermann vom VSStÖ. "Wir hätten aber körperliche Gewalt einsetzen müssen, und das wollten wir nicht." Seitens der Polizei heißt es dazu: "Nachdem kein strafbarer Strafbestand festgestellt werden konnte, konnten die Personen auch nicht verwiesen werden." Habe man wirklich Bedenken, fotografiert zu werden, könne man erst nach der Veröffentlichung rechtlich dagegen vorgehen, oder aber "Kameras und das Fotografieren allgemeine für eine Veranstaltung vorher verbieten", so der Polizeisprecher.

VSStÖ fand bei KSV Unterschlupf

Also brach man die Veranstaltung ab und fand bei einer anderen Unterschlupf: im benachbarten Willi-Gaisch-Hörsaal (ehemals Hörsaal A) beim Kommunistischen Studentenverband (KSV). Dieser zeigte den Film "Blut muss fließen – Undercover unter Nazis" im Beisein von Regisseur Peter Ohlendorf. Nach dem Film konnte dann auch noch kurz das Buch besprochen werden. Einige der Identitären folgten – allerdings erst gegen Ende der Veranstaltung – auch hierher.

Unter den späten Gästen im zweiten Hörsaal war auch Luca Kerbl, FPÖ-Gemeinderat in der obersteirischen Stadt Fohnsdorf. "Ja, ich war dort", sagt er auf Nachfrage des STANDARD, "als Privatperson und Student, weil das eine öffentliche Veranstaltung war." Warum er dann erst wenige Minuten vor Ende und mit Mitgliedern der Identitären kam? "Weil ich meinen Zug versäumt habe", so der blaue Jungpolitiker. Ob er als Teil der Identitären dort war? Es sei eine "gemischte Gruppe" gewesen, sagt er, "ich kenne verschiedene Leute". Zudem sei man "nur ruhig dagesessen".

Ob er sich denn von den Identitären distanziere? "Ich halte nichts von großartigen Distanzierungen, denn nach dem DÖW (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Anm.) ist eh alles rechtsextrem, ob es eine identitäre Bewegung ist, die FPÖ oder Burschenschaften", sagt Kerbl dazu.

Gleicher Slogan bei Identitären und FPÖ

An der Parteispitze sieht man das ambivalent. Der FPÖ-Klubchef im Landtag, Hannes Amesbauer, betont zwar, dass er nicht gewusst habe, dass einer seiner Gemeinderäte mit den Identitären unterwegs war, sagt aber auch, dass es für ihn "irrelevant sei". Nachsatz: "Ich bin nicht der, der sich über solche Dinge aufregt. Wir haben andere Probleme in Österreich als verrückte rechtsextreme und linke Gruppen."

Der von den Identitären auf ein Brückengeländer gehängte Spruch "Fremd im eigenen Land?" ist übrigens derzeit auch völlig gleichlautend auf steirischen Plakatwänden zu finden. Er ziert einige der Wahlplakate des FPÖ-Spitzenkandidaten Mario Kunasek. In der Steiermark wird am 31. Mai gewählt. (Colette M. Schmidt, derStandard.at, 13.5.2015)