Spezielle Angebote wie etwa der Töchtertag für Mädchen oder der Boys Day für Buben sollen der stereotypen Berufswahl entgegenwirken.

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Einzelhandel, Bürokauffrau, Friseurin: Die häufigsten Lehrberufe haben sich bei Mädchen in Österreich in den letzten 30 Jahren laut Lehrlingsstatistik der Wirtschaftskammer Österreich nicht geändert. Anders bei den Burschen: Waren in den 1980er-Jahren Kfz-Mechaniker, Tischler und Elektroinstallateur die beliebtesten Lehrberufe, sind es heute jene in Metalltechnik, Elektrotechnik und Kfz-Technik. Auch neuere Berufsbilder wie die Mechatronik sind schon auf Platz zehn vorgerückt. Mädchen sind in diesen Lehrberufen nach wie vor kaum vertreten.

"Die Geschlechtssegregation bei der Ausbildungs- und Berufswahl ist ein Dauerbrenner", formuliert es Roswitha Tschenett in ihrer aktuellen Studie zu Gender-Gaps. Gründe sieht sie in "der sehr frühen Wahlverpflichtung mit 14, 15 Jahren" und einem "hochgradig ausdifferenzierten Berufsbildungssystem".

Henne oder Ei?

Zwei Phänomene, die der unterschiedlichen Berufswahl und die der unterschiedlichen SchülerInnenkompetenz – Mädchen schnitten bei Pisa schlechter in Mathematik, Buben beim Lesen ab – sieht sie in einem sich gegenseitig bedingenden Zusammenhang: Geringeres Interesse an Mathematik führe zu einer selteneren Wahl von Schultypen mit Schwerpunkt auf Mint-Fächern (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik), andererseits führe aber auch schon die Erwartungshaltung, dass Mint in bestimmten angestrebten Berufsfeldern nicht relevant sein werde, zu sinkender Motivation.

Dass diese stereotype Wahl vor allem für Frauen einen Nachteil darstellt, ist für die Autorin evident: Schlechtere Aufstiegschancen, schlechtere Bezahlung und insgesamt schlechtere Perspektiven bringe die Wahl klassischer weiblicher Berufe mit sich. Welche Maßnahmen können und werden dagegen unternommen?

Spezielle Angebote für Mädchen beziehungsweise Buben sollen der stereotypen Berufswahl entgegenwirken. Aktuell fördert das Bundesministerium für Bildung und Frauen im Schuljahr 2014/2015 mehrere Kooperationen zwischen NGOs, Mädchenberatungsstellen und insgesamt 45 Schulen. Im Rahmen der Projekte können Mädchen praktische Erfahrungen im Bereich Technik und Handwerk machen, sich aber auch mit Geschlechterstereotypen und Lebensplanung auseinandersetzen.

"Reflexionsräume" schaffen

Weiters favorisiert die Autorin Angebote nur für Mädchen beziehungsweise Frauen, weil "die Kompetenzaneignung in diesem Feld in koedukativen Gruppen häufig aufgrund gegenseitiger stereotyper Zuschreibungen nicht funktioniert". Auch eigene Angebote für Buben – wie der jährlich vom Sozialministerium initiierte und finanzierte "Boys Day", der Buben für soziale, erzieherische und Gesundheitsberufe gewinnen soll – fallen für sie in diese Kategorie.

Ein weiterer wichtiger Ansatzpunkt sei die Stärkung der Berufsorientierung in der 7. und 8. Schulstufe. Gerade im Zusammenhang mit der geschlechtsstereotypen Wahl von Ausbildungen und Berufen sei es wichtig, "Reflexionsräume" zu schaffen. Je weniger es diese gebe, desto stärker griffen Jugendliche auf stereotype, oft familiär geprägte Bilder zurück.

Tschenett favorisiert die Abschaffung früher Wahlentscheidungen. Gerade in der Phase der Adoleszenz fordere es enormen Mut, sich gegen das Stereotyp zu entscheiden. Hier sei "Empowerment durch wichtige Bezugspersonen und Umwelten" wichtig.

Ausbildungen attraktiver machen

Auch erhöhte Genderkompetenz und Mint-Kompetenzen bei PädagogInnen und MultiplikatorInnen seien anzustreben. Als letzte, aber nicht minder wichtige Maßnahme sieht sie die "Integration der Gleichstellungsperspektive in die schulischen Qualitätsentwicklungsprozesse". Dabei geht es "um die Herausforderung von technischen Schulen (oder Bildungsanstalten für Kindergartenpädagogik), sich mit den Ursachen der geringen Anzahl von Mädchen (beziehungsweise Burschen/Männern) an ihren Schulen auseinanderzusetzen und sich Wege zu überlegen, ihre Ausbildung für das jeweils andere Geschlecht attraktiver zu machen". (Tanja Paar, 18.5.2015)