US-Soziologe Robert Bullard ist Gast bei den diesjährigen Erdgesprächen.

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Giftmülldeponien, Minen, Kraftwerke: Bullard erforscht seit Jahrzehnten, wo "locally unwanted land uses" stattfinden, also von der lokalen Bevölkerung nicht gewünschte Einrichtungen gebaut werden. Meist seien afroamerikanische Gemeinden betroffen, sagt er.

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STANDARD: Sie erforschen seit drei Jahrzehnten, wie häufig Giftmülldeponien, Minen und Kraftwerke in afroamerikanischen Gemeinden errichtet werden. Wie rassistisch ist die Umweltpolitik der USA?

Bullard: 1978 fragte mich meine Ehefrau, ob ich Daten für ein Gerichtsverfahren erheben könnte. Sie versuchte zu verhindern, dass eine Giftmülldeponie nahe einer schwarzen Gemeinde in Houston, Texas, errichtet wurde. Bei meiner Analyse fand ich heraus, dass sich die meisten Deponien in afroamerikanischen Gemeinden mit niedrigem Einkommen befinden. Ich habe die gleichen Muster in den gesamten Vereinigten Staaten entdeckt. Überall wurde der Müll auf Asiaten, Latinos, Ureinwohner oder Schwarze "abgeladen".

STANDARD: Haben Sie dieses Gerichtsverfahren gewonnen?

Bullard: Mehr als 82 Prozent des Abfalls in Houston wurden ab Mitte der 30er-Jahre bis 1978 in schwarzen Wohngegenden abgeladen. Sechs von acht staatlichen und drei von vier privat betriebenen Deponien befanden sich in schwarzen Gemeinden. Obwohl wir alle Daten und Statistiken hatten, haben wir verloren, da wir den Vorsatz nicht nachweisen konnten.

STANDARD: Trotz des ersten Rückschlags entstand dadurch die Bewegung der Umweltgerechtigkeit?

Bullard: Ja, wir konnten zeigen, dass es sich nicht um einen Zufall handeln kann. Bis zu 25 Prozent der Bevölkerung in Houston waren schwarz, aber 82 Prozent des Abfalls landeten in ihrer Nachbarschaft. Die US-weiten Ergebnisse der Forschung habe ich 1990 in dem Buch "Dumping Dixie" veröffentlicht. Es war die erste Publikation, die Umweltgerechtigkeit behandelte. Wir schreiben nun das Jahr 2015, aber Diskriminierung ist leider immer noch Alltag. Ethnische Herkunft, soziale Schicht und Postleitzahl bestimmen immer noch über Gesundheit und Lebensqualität.

STANDARD: Es geht Ihnen nicht nur um die Frage der Giftmülldeponien. Sie sprechen wiederholt das Problem der "Energie-Apartheid" an. Was meinen Sie damit?

Bullard: Man kann sauber reden und schmutzig handeln. Oft wird saubere, erneuerbare Energiegewinnung in Gemeinden mit hohem Einkommen und großteils weißen Bewohnern eingeführt. Auf der anderen Seite werden aber eben weiterhin umweltschädliche Kraftwerke in Gemeinden gebaut, in denen Schwarze leben.

STANDARD: Was waren bislang große Erfolge der Bewegung?

Bullard: Ein großer Erfolg war, dass Präsident Bill Clinton 1994 eine Verfügung zur Umsetzung von Umweltgerechtigkeit unterschrieb. Und alle 50 Bundesstaaten haben dazu bereits Gesetze erlassen.

STANDARD: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit traditionellen Umweltorganisationen?

Bullard: Historisch gesehen wurden Umweltgruppen in den USA von weißen Männern aus der Mittelklasse geprägt. Diese Organisationen müssen sich damit auseinandersetzen – vor allem, wenn sie weiterhin relevant bleiben wollen. Die demografische Zusammensetzung unserer Bevölkerung ändert sich. Das ist ja nicht nur ein Problem der Umweltbewegung, dass Macht und Entscheidungsprozesse in keinster Weise widerspiegeln, wie dieses Land wirklich aussieht.

STANDARD: Sie waren der erste Afroamerikaner, der den John Muir Award erhielt, die höchste Auszeichnung der größten US-Umweltorganisation Sierra Club. War das ein großer Schritt?

Bullard: Es war ein Fortschritt. Und erst am Wochenende hat der Sierra Club erstmals einen Schwarzen, Aaron Mair, zu seinem Präsidenten gewählt. Die Organisationen erkennen, dass sie sich öffnen müssen, wenn sie neue Mitglieder gewinnen wollen. Ich engagiere mich seit 30 Jahren, und ich bin ein Optimist. Ich glaube, dass die junge Generation nicht mehr so geduldig ist. Sie wollen schnelle Veränderungen, und sie werden dafür kämpfen. (Julia Schilly, 21.5.2015)