In der Caritas-Schule werden bald Kinder mit und ohne besondere Bedürfnisse gemeinsam unterrichtet.

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Eltern von schwerstbehinderten Schülern befürchten, dass ihre Kinder dadurch überfordert werden und nicht mehr adäquat in Kleingruppen betreut werden können. 14 Eltern haben ihre Kinder abgemeldet.

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Wien – Früher als geplant wird die Wiener Caritas-Schule Am Himmel von einer Bildungseinrichtung für schwerstbehinderte Kinder in eine Inklusionsschule umgewandelt. Das bedeutet, dass auf dem idyllischen Areal in Wien-Döbling mitten im Grünen künftig Kinder mit und ohne Handicap unterrichtet werden. Statt wie zuletzt geplant ab Herbst 2017 werden schon mit Beginn des nächsten Schuljahres auch Kinder ohne besondere Bedürfnisse die Privatschule besuchen. Das bestätigte die Caritas dem STANDARD.

Grund für die überraschende Vorverlegung ist der Protest von Eltern bisheriger Schüler: Laut Elternverein wurden in den vergangenen Wochen gleich 14 schwerstbehinderte Kinder von ihren Eltern von der Caritas-Schule ab- und in einer anderen Sonderschule angemeldet. Das ist die Hälfte aller Kinder in der Schule Am Himmel.

Eltern fürchten um Betreuungsqualität

Auch zwei Lehrerinnen der Caritas-Schule dürften den Wechsel mitmachen. Als Grund für die Abmeldung gaben Eltern an, dass sie um die Betreuungsqualität für ihre schwerst behinderten Kinder fürchten.

Philipp etwa, der Sohn von Margit Hödel, ist frühkindlicher Autist. Der Grad der Behinderung liegt bei 100 Prozent. Der 13-Jährige spricht kaum, über weite Strecken kommuniziert er nonverbal. "Er hat erst jetzt zu rechnen begonnen - im Zahlenraum bis zehn", erzählt seine Mutter.

In Kleingruppen, in denen Pädagogen mit Zusatzqualifikationen wie Waldpädagogik, Sprachheilpädagogik, oder Gebärdensprache arbeiten, fühlt sich Philipp wohl.

Pädagogen in Integrationsklasse überfordert

Eine größere Inklusionsklasse mit Kindern ohne besondere Bedürfnisse würde er nicht schaffen, sagt Hödel. Sie spreche aus Erfahrung: Bevor Philipp in die Caritas-Schule Am Himmel kam, besuchte er eine Klasse mit Mitschülern ohne besondere Bedürfnisse - und musste nach einem halben Jahr abgemeldet werden. Mit dem Schreien und Quietschen von Philipp waren die Pädagogen überfordert, sagt Hödel. "Er sortierte den ganzen Schultag Linsen in einem Kübel."

In der Caritas-Sonderschule schloss er sogar Freundschaften - etwa mit Lucas: Der 16-Jährige hat Down-Syndrom mit Autismus. Hödel: "Für Philipp war die Sonderschule jetzt schon eine Inklusionsschule. Er hat von anderen Kindern mit besonderen Bedürfnissen gelernt."

Caritas über früheren Start "erfreut"

Die Caritas ist hingegen "erfreut, dass die Schule mit inklusivem Ansatz früher starten kann". Der Abgang der 14 Schüler mit besonderen Bedürfnissen wird durch 18 Kinder kompensiert, die von der privaten, Montessori-orientierten Bildungseinrichtung "Kirschbaumhaus" im 18. Bezirk wechseln. Laut Caritas sind das Schüler ohne besondere Bedürfnisse, die teils im verschränkten Unterricht mit den verbliebenen Sonderschülern den Schulalltag verbringen werden.

Die Umwandlung der Sonderschule in eine Inklusionsschule wird bei der Caritas mit der Umsetzung der UN-Konvention argumentiert, die Österreich 2008 unterschrieben hat. Diese verpflichtet die Staaten, Menschenrechte von Menschen mit Behinderungen zu fördern sowie mehr Partizipation zu ermöglichen.

"Nicht um jeden Preis"

Die Geschäftsführerin der privaten und teils spendenfinanzierten Clara-Fey-Sonderschule in Wien-Döbling, die bis zu 14 schwerstbehinderte Kinder der Caritas-Sonderschule samt Lehrerinnen aufnehmen wird, ist ebenfalls "für Inklusion. Aber nicht um jeden Preis", sagt Dora Luss-Brunner. Kleinklassen seien vor allem für Intensivbetreuung für Kinder mit besonderen Bedürfnissen unerlässlich. (David Krutzler, 21.5.2015)