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Was jetzt ansteht, ist, dass wir offensiv die Differenz, also unser "Anderssein" starkmachen. Worin genau dieses "Anderssein" besteht, muss dabei gar nicht inhaltlich bestimmt werden, es wird sich von selber zeigen.

Foto: dpa-Zentralbild/Jens Kalaene

Wenn erst einmal eine Frau im Management einer Firma ist, dann sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass dort noch eine andere Frau in eine ähnliche Position kommt, um ungefähr 50 Prozent. Das hat gerade eine Studie in den USA herausgefunden.

Ein Ergebnis, das manche überraschen wird, denn es gibt im Gleichstellungsdiskurs ja die These, dass Frauen in Führungspositionen andere Geschlechtsgenossinnen "mitziehen" würden, Stichwort Schneeballeffekt. So scheint es aber leider nicht zu sein.

Männliche Platzhirsche

Die Forscher_innen diskutieren verschiedene Gründe: Aktive Gleichstellungsbemühungen lassen nach, sobald man erst mal "eine hat", männliche Platzhirsche verstärken ihren Widerstand gegen Frauen auf ihrer Statusebene, sobald es zu viele zu werden, drohen und so weiter. (Die früher gerne mal vorgebrachte These, wonach erfolgreiche Frauen besonders "stutenbissig" wären und keine weibliche Konkurrenz neben sich dulden, hat zumindest diese Studie nicht hergegeben: Die negativen Effekte stellen sich offenbar auch dann ein, wenn Führungsfrauen aktiv versuchen, Geschlechtsgenossinnen zu fördern.)

Die Erklärungen sind allesamt nicht befriedigend, beziehungsweise lassen sie die eigentlichen Gründe für die "Eine Frau reicht ja wohl"-Haltung unausgesprochen. Wenn der Grund für die männliche Dominanz, wie oft behauptet, vor allem die Tradition ist, also die Gewohnheit des "Das war schon immer so", dann wäre nämlich in der Tat ein Schneeballeffekt zu erwarten: Man hat sich doch inzwischen daran gewöhnt, eine Bundeskanzlerin im Fernsehen zu sehen oder eine Managerin mit am Konferenztisch zu haben – warum ist denn dann der Damm nicht gebrochen, sondern wächst sogar noch höher?

Varianten des weißen Mannes

Meiner Ansicht nach ist die tiefere Ursache die, dass Frauen – und auch andere "andere" – eben nicht als Andere gedacht werden, sondern als Gleiche.

Ein schönes Beispiel dafür, was ich meine, ist die Anfangssequenz des George-Lucas-Films "THX1138" aus dem Jahr 1970. Dort werden vier Personen immer abwechselnd gezeigt: Ein weißer Mann, ein alter weißer Mann, ein schwarzer Mann, eine weiße Frau. Als ich das das erste Mal sah, wurde mir klar, wo das Problem liegt: Die "anderen" (also die Alten, die Frauen, die Schwarzen) sind lediglich Varianten des weißen Mannes. Es ist immer nur genau ein Attribut, das sich ändert – der weiße Mann kann sozusagen auch mal weiblich sein, oder er kann schwarz sein oder alt. Aber es gibt keine schwarzen Frauen, keine alten weißen Frauen, keine alten schwarzen Männer, von alten schwarzen Frauen ganz zu schweigen.

Die Gleichheitsidee ist mit der unausgesprochenen Vorstellung behaftet, dass die "Anderen" den "Normalen" in Wirklichkeit gleichen. Frauen sind doch gar nicht anders als Männer, wird beteuert, Schwarze sind doch irgendwie "genauso wie wir", nicht wahr?

Die symbolische Ordnung des "Normalen"

Dieses Phantasma, dass die anderen gar nicht anders sind, sondern in Wirklichkeit gleich, lässt sich natürlich nur so lange aufrechterhalten, wie es sich tatsächlich nur um Einzelfälle handelt, durch deren Anwesenheit die symbolische Ordnung des "Normalen" zwar mit etwas Vielfalt und "Farbe" bereichert, aber nicht aus den Angeln gehoben wird.

Und deshalb darf es von den Anderen immer nur wenige geben. Gäbe es nämlich viele, dann bestünde die Gefahr, dass sie die Angelegenheit umkrempeln, dass das Normale nicht länger normal ist. Es würde offensichtlich, dass es nicht um Assimilation und Integration geht, sondern um Pluralität, um Differenz.

Genau das ist der Grund, warum das Gleichstellungsparadigma als feministische Strategie meiner Ansicht nach nichts taugt. Was jetzt ansteht, ist, dass wir offensiv die Differenz, also unser "Anderssein" starkmachen. Worin genau dieses "Anderssein" besteht, muss dabei gar nicht inhaltlich bestimmt werden, es wird sich von selber zeigen. Wichtig ist aber, dass wir uns und ihnen klar machen: Wir "anderen" sind keine Varianten von euch "Normalen". Wir sind wir selber, und wir machen uns unsere eigenen Maßstäbe. (Antje Schrupp, 22.5.2015)