"Engelmacherinnen" nannte man früher Frauen, die Abtreibungen heimlich zu Hause durchführten. Sie verwendeten spitze Gegenstände, meist Stricknadeln, um die Fruchtblase zu durchstechen.

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Wien – 40 Jahre Fristenregelung, und Österreich bewegt sich eher rückwärts als vorwärts, so der Tenor der Podiumsdiskussion des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch am Dienstagabend. Zur Einstimmung zeigte man ein Video einer Straßenumfrage in Wien: Die Wiener und Wienerinnen wussten recht wenig über den gesetzlichen Umgang mit Abtreibung in Österreich oder waren gänzlich falsch informiert. Moderatorin Angelika Hager ("Profil") stieg mit der Geschichte eines von ihr beobachteten Besuchs einer Schulklasse in genanntem Museum ein. Auf die Frage, was sie denn über Abtreibung wüssten, fassten die SchülerInnen die Geschichte recht gut zusammen, ein Bursch sagte: "Da sind früher viele daran gestorben", und ein Mädchen: "Es wurde immer viel darum gestritten."

Strafbar ist, es ohne Arzt durchzuführen

Gegen eine Legalisierung stünden in Österreich viele Faktoren, sagt Christian Fiala, Gründer des Museums für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch: zum Beispiel die Tatsache, dass wir in einem katholisch geprägten Land leben, Schwangerschaftsabbrüche nicht in die gynäkologische Ausbildung integriert seien und die Kasse sie nicht übernehme. Auch die Versorgung sei nicht gegeben, in Tirol gebe es zum Beispiel nur einen Arzt, der offen zugibt, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, er betreue 600 Patientinnen pro Jahr. "Für eine gute Versorgung in der reproduktiven Gesundheit braucht es Aufklärung, Kostenübernahme, Verbesserung der Prävention und stärkere Unterstützung von Paaren mit gewollten Kindern." Das "scheinbar tote Gesetz" habe im Hintergrund große Auswirkungen.

Andere Ansätze in den Niederlanden und Kanada

Für aktivistischen Wind in der Diskussion um den Schwangerschaftsabbruch in Österreich sorgten Rebecca Gomperts und Jula Hughes. Gomperts ist Ärztin und Aktivistin aus den Niederlanden, außerdem Gründerin der Initiativen "Women on Waves" und "Women on Web", die betroffene Frauen in Ländern betreuen, in denen ein Abbruch illegal ist. Hughes ist Professorin für Strafrecht in Kanada, wo Schwangerschaftsabbruch seit 1988 kein Strafbestand mehr ist; die dortige Regierung habe sich gefragt, ob man als Staat rechtfertigen könne, Frauen in ihren Lebensbestrebungen so einzuschränken, und sei zu dem Schluss gekommen, dass es ein zu großer Eingriff in die Freiheitsrechte sei.

Die Politik hält zurück

Anja Oberkofler Juristin, Verein österreichischer Juristinnen, sprach die Vertreterinnen aus der Politik auf die Strafgesetznovelle an, die Gelegenheit zu Änderungen bezüglich des Strafbestandes geben würde. Eva Mückstein, Gesundheitssprecherin der Grünen, meinte, dass das Recht auf Selbstbestimmung und Privatsphäre der Frauen noch nicht in den Köpfen der Österreicher angekommen sei und dass Jahre an Diskussionen fehlen würden. Der Staat baue Hürden finanzieller Natur auf und stütze Frauen im Schuldkonflikt nicht. Katharina Weninger, Bundesfrauensprecherin der Jungen Generation in der SPÖ, fügte hinzu, dass es von der konservativen Seite der Politik eher Anregungen zur Verstärkung des Gesetzes gebe und man hier mit viel Fingerspitzengefühl arbeiten müsse. Oberkofler kritisierte die Zurückhaltung mit den Worten "zu Tode gefürchtet ist auch gestorben", es sei Zeit für Initiative.

Aktivistin Gomperts regte in diesem Zusammenhang an, auf die Straße zu gehen, um auf das Thema aufmerksam zu machen. Irmtraut Karlsson, Gründerin des "Aktionskomitees zur Abschaffung des § 144", fügte hinzu, dass der Kampf noch nicht vorbei sei, nur weil das Gesetz geändert wurde.

Zur Entwicklung des medikamentösen Abbruchs sagte Fiala: "Die Technologie überholt uns noch in der politischen Diskussion." Schon heute sei es ein Leichtes, die Medikamente für einen Abbruch online zu besorgen, es sei wichtig, Info-Kampagnen und Sexualerziehung zu fördern. Kinder können sich schließlich im Internet einschlägige Seiten ohne Kontrolle ansehen, doch gleichzeitig schäme man sich für mehr Freizügigkeit in der kontrollierten Sexualerziehung in der Schule. (Johanna Schwarz, 27.5.2015)