Greinbach – Die Stühle im renovierten kleinen Foyer des Hotels sind zurechtgerückt. Die weißen Sitzpolster glänzen. Genau dort sollte man seinen Nachmittagskaffee trinken. Neben dem Eingang des Dreisternebetriebs Sonnenhof in der Oststeiermark hängt die Speisekarte. "Naturnahe Küche" liest man neben dem Hinweis, dass im Familienbetrieb auch Produkte aus der eigenen Landwirtschaft zubereitet werden. Steirisches Backhendl, Beiriedschnitte, Schweinsfischerl oder Forellenfilet stehen im Menü.

Die ausgehängte Speisekarte vor dem Landgasthaus.

Drinnen im Gasthaus gibt es an diesem Abend freilich nur eine Hauptspeise: selbstgemachte Pizza. Der Gastraum ist dennoch mit fast 50 Gästen sehr gut gefüllt. "À la carte ist bei sieben Euro Essensgeld pro Tag und Asylwerber für drei Mahlzeiten nicht drin", sagt Josefa Thurner, während ein syrisches Mädchen um einen Nachschlag bittet. Dem wird gerne nachgekommen. Die Kommunikation erfolgt über klare nonverbale Zeichen.

Der schmucke Eingangsbereich des Hotels, die Rezeption, die ausgehängte Speisekarte vor dem Landgasthaus: Das alles sind Relikte aus erst kürzlich vergangenen Zeiten.

Der Eingangsbereich des Dreisternebetriebs.

Im Oktober 2014 haben die Thurners beschlossen, in ihrem seit 1971 bestehenden Familienbetrieb nahe Hartberg auch Asylwerber unterzubringen. Ein Vertrag mit dem Land Steiermark wurde unterschrieben.

Frühere Tourismusgäste kamen abhanden

Dem Hotel war zuvor altersbedingt immer mehr die treue Kundschaft abhandengekommen: Wiener Pensionisten auf Sommerfrische, die um 36,50 Euro pro Tag inklusive Vollpension auf dem Land verwöhnt wurden. Der Verlust ließ sich in der Gastwirtschaft mit hiesigen Gästen nicht abfedern. Für die Asylwerber gibt es 19 Euro pro Tag für Unterkunft und Vollverpflegung – auch deren Wäsche wird dafür mitgewaschen.

Das ist die eine, finanzielle Seite der Geschichte. Die andere ist, dass das händeringend nach Unterkunftsmöglichkeiten suchende Land Steiermark sofort 25 Asylwerber geschickt hat. "Es ist von null auf 100 losgegangen", erzählt Hotelbetreiberin Josefa Thurner. Eine Einschulung, wie mit den Gästen aus Syrien, Afghanistan, dem Irak oder der Ukraine umzugehen sei, bekam man nicht.

Mittlerweile leben 48 Asylwerber im Sonnenhof.
Foto: Krutzler

Mittlerweile sind im Familienbetrieb 48 Asylwerber untergebracht: Allein vergangene Woche wurden vom Land rund 20 geschickt. "Beamte haben angerufen und sich bei uns bedankt."

Herausfordernder Alltag

Neben Josefa und Ehemann Alois helfen auch die erwachsenen Söhne Patrick und Alexander sowie Tochter Bettina im Betrieb. In der Küche arbeiten zwei Vollzeitbeschäftigte, ein Caritas-Mitarbeiter unterstützt bei Fragen nach Bedarf. Der Alltag mit den Asylwerbern sei herausfordernder und verantwortungsvoller als der mit Tourismusgästen, sagt Josefa Thurner. Die regelmäßig durchzuführende Anwesenheitskontrolle sei nur ein Beispiel. "Viele kennen ihre Rechte in Österreich ganz genau. Das betrifft die medizinische Versorgung genauso wie die Schulpflicht. Wenn ihr Kind zwei Tage nach der Ankunft bei uns noch keiner Schule zugewiesen wurde, wird das eingefordert."

Google übersetzte ins Arabische

Dazu gilt es kulturell bedingte Friktionen aus dem Weg zu räumen. Die Müllproblematik im Haus löste Alexander Thurner unbürokratisch. "Ich habe Zettel aufgepickt, wo auf Arabisch zu lesen war, dass der Müll nicht im Haus gelagert werden soll. Die Übersetzung erledigte Google Translate." Erst vor wenigen Tagen spielte sich folgende Geschichte ab: Eine Asylwerberin war im Spital, bei ihren drei Kindern wurden Läuse entdeckt. "Die Entlausung habe ich erledigt", erzählt Alexander. "Weil das keiner der Asylwerber machen wollte."

Bei der Entscheidung, Asylwerber aufzunehmen, "muss man den positiven Hintergrund in den Vordergrund stellen", sagte Josefa Thurner. Denn Leistungen, wie dass Alexander um Mitternacht aus dem Bett geklingelt wird, um einen Kurzschluss zu reparieren, würden nicht extra vergütet. Und Patrick, Arzt für Allgemeinmedizin, hilft bei kleineren und größeren Wehwehchen.

Kein Anspruch auf Deutschkurse

Anspruch auf Deutschkurse haben die Asylwerber nicht. Insofern ist es mit der Integration in das dörfliche oststeirische Leben schwierig. Andererseits kommen auch nur selten Einheimische in das Gasthaus.

Die Fremden würde man im Dorf fast nicht bemerken.

"Wir sind bemüht, dass sich in der Bevölkerung kein Unmut entwickelt", sagt Josefa Thurner. Für die Asylwerber gebe es Gratis-WLAN und zwei arabische TV-Sender. Wer Asyl erhält, würde sofort nach Wien aufbrechen. Bis dahin würde man die Fremden im Dorf fast nicht bemerken.

76 Asylwerber im 1.800-Einwohner-Ort

Das ist bemerkenswert, weil in der kleinen Ortschaft mit 1.800 Einwohnern derzeit insgesamt 76 Asylwerber untergebracht sind. Denn in derselben Straße, nur 150 Meter vom Hotel Sonnenhof entfernt, haben im Gasthaus Grebitschitscher-Dzien weitere Asylwerber in Fremdenzimmern Unterschlupf gefunden. Das Gasthaus läuft normal weiter.

"Mit den Asylwerbern gibt es keine Probleme", sagt Bürgermeister Siegbert Handler (ÖVP). "Die Bevölkerung sieht schon, dass man wegen der ganzen Flüchtlingsproblematik helfen muss." Dennoch sei der Ort an den Kapazitätsgrenzen angelangt. 75 Prozent aller Gemeinden in Österreich haben laut Caritas aktuell keinen einzigen Flüchtling untergebracht. "Die müssen jetzt ihren Beitrag leisten", sagt Handler.

In seiner Gemeinde Greinbach müsste man wegen der Kinder aus Asylwerberfamilien im Kindergarten und in der Schule aufstocken. "Denn wenn die Einheimischen das Gefühl bekommen, dass ihre eigenen Kinder nicht mehr genug betreut werden, könnte die Stimmung kippen." (David Krutzler, 27.5.2015)