Eine neue Studie will einen Zusammenhang zwischen Antibabypille und Blutgerinnseln gefunden haben – die Ergebnisse sind jedoch mit Vorsicht zu genießen, sagt Gynäkologe Christian Egarter.

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Rund neun Prozent aller fruchtbaren Frauen weltweit greifen zur Antibabypille, in Österreich sogar jede vierte. Eine neue Studie von Forschern der University of Nottingham belegt nun einen Zusammenhang zwischen Verhütungs-"Pillen" der neuesten, vierten Generation und Thrombosen, der auch in älteren Untersuchungen schon aufgezeigt wurde. Die großangelegte Studie wurde nun im renommierten "British Medical Journal" ("BMJ") veröffentlicht. Ihr zufolge ist das Risiko um bis zu 17 Prozent höher.

Allerdings seien die Ergebnisse mit großer Vorsicht zu betrachten, sagt Christian Egarter, Leiter der klinischen Abteilung für gynäkologische Endokrinologie und Reproduktionsmedizin am AKH Wien. Die Wahrscheinlichkeit für eine Thrombose sei "möglicherweise marginal höher", doch auch das sei nicht restlos geklärt.

Höheres Risiko?

Dass das Risiko bei neueren Antibabypillen mit den synthetischen Gestagenen (Schwangerschaftshormonen) Desogestrel, Gestoden, Drospirenon und Cyproteron unter Umständen leicht erhöht ist, ist nichts Neues. So hat die Europäische Arzneimittelagentur schon Ende 2013 eine Empfehlung abgegeben, bei bestehendem erhöhten Thromboserisiko bevorzugt Wirkstoffe aus einer älteren Generation (etwa Levonorgestrel oder Norethisteron) zu verwenden oder reine Progestagen-Pillen, die definitiv sicher sind.

Die neue Studie bringe nun einen sicheren Nachweis, dass das Risiko tatsächlich erhöht ist, heißt es in einer Aussendung des "BMJ". "Allerdings widerlegen andere Untersuchungen diesen Zusammenhang", sagt Egarter. Er kritisiert die Studie aus mehreren Gründen. Zum einen sei ein tatsächlicher Zusammenhang immer schwer zu beurteilen, weil beim Auftreten jeder Erkrankung unzählige Faktoren zusammenfließen, die nicht alle statistisch hinausgerechnet werden können, von Lebensstil (Alkohol, Rauchen, Ernährung, Bewegung) bis hin zur genetischen Veranlagung.

Zum anderen sei das Ergebnis der Studie zwar statistisch signifikant, doch sei – selbst bei einem großen Sample von mehr als 10.000 Frauen wie in diesem Fall – eine Verdopplung in absoluten Zahlen nicht unbedingt aussagekräftig, sind doch Thrombosen bei Frauen im fruchtbaren Alter "generell sehr selten". Für eine tatsächliche Aussagekraft müsste die Thrombose-Häufigkeit um ein Vielfaches höher sein, tatsächlich zeigt die Studie ein erhöhtes Risiko von lediglich sieben bis 17 Prozent, je nach Wirkstoff.

Und schlussendlich werden Datenbanken wie die hier verwendeten überhaupt nicht für solche Fragestellungen erstellt, sagt Egarter: "Da geht es um statistische Zwecke für die Behörden, aber nicht um Forschung." Für Wissenschafter seien sie zwar bequem, weil sie die Auswertung großer Datenmengen ermöglichen, doch seien sie mit klinischen Studien "nicht zu vergleichen".

Tatsächliche Risikofaktoren

Egarter betont, dass es viele Risikofaktoren für Thrombosen gibt, die ungleich wichtiger sind als der Wirkstoff, der zur Verhütung eingesetzt wird – so etwa das Alter: "40- bis 45-jährige Frauen, die keine Pille nehmen, haben von Haus aus ein sechsmal höheres Thromboserisiko als 15- bis 20-Jährige." Bei stark Übergewichtigen mit einem Body-Mass-Index (BMI) über 30 sei das Risiko sogar zehnfach erhöht.

Deshalb bekommen Frauen aus diesen Risikogruppen schon jetzt überwiegend Progestagen-Präparate verschrieben, weil diese definitiv keinen Einfluss auf die Thrombosegefahr haben – was bei den kombinierten Pillen der neueren Generation laut Egarter eben nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden kann, aber auch in Anbetracht der neuen Ergebnisse "sehr unwahrscheinlich" ist. (Florian Bayer, 5.6.2015)