Edmonton - "Die Zukunft des Fußballs ist weiblich", hatte Fifa-Präsident Joseph Blatter 2007 gesagt. Acht Jahre später ist die Zukunft der Fifa nicht mehr Joseph Blatter, und die Gegenwart des Fußballs noch nicht wirklich weiblich. Der Frauenfußball hat sich sportlich weiterentwickelt, das Niveau ist gestiegen. Aber die Aufmerksamkeit dafür ist nach wie vor überschaubar. Und die WM-Endrunde in Kanada, die am Samstag mit dem Spiel des Gastgebers gegen China in Edmonton eröffnet wird, sehen viele Topspielerinnen sogar als Rückschritt für ihre Sportart.

Schuld daran hat nach Ansicht der monatelang rebellierenden Stars um die deutsche Kapitänin Nadine Angerer die Fifa. Vier Jahre nach der erfolgreichen WM in Deutschland sehen sich die Spielerinnen als Versuchskaninchen des Weltverbands, der in Nordamerika zum ersten Mal ein großes Turnier auf Kunstrasen austragen lässt. Die rund 50 Spielerinnen aus zwölf Ländern zogen ihre Klage gegen den Weltverband und den ausrichtenden kanadischen Verband CSA zwar auf Druck der Fifa zurück, ihre Meinung änderten sie aber nicht. Der Untergrund sei "diskriminierend, zweitklassig und gesundheitsgefährdend".

Auch abseits der Kunstrasen-Diskussion steht der Frauenfußball 24 Jahre nach der ersten WM in China noch vor großen Problemen. In vielen Ländern kämpft die Sportart weiter um gesellschaftliche Anerkennung - positive Entwicklungen wie in Europa, den USA und Japan sind aber immer noch die Ausnahme.

Auch in Österreich machte der Frauenfußball in den vergangenen Jahren große Fortschritte. Für die WM-Qualifikation des ÖFB-Teams reichte es zwar noch nicht. In Kanada spielen nur acht europäische Teams. Die Chancen auf eine Teilnahme bei der Europameisterschaft 2017 in den Niederlanden stehen aber gut. Dort werden 16 statt zuletzt zwölf Teams um den Titel spielen. "Das ist eine realistische Chance", sagt ÖFB-Teamchef Dominik Thalhammer. Auch bei der WM wurde aufgestockt. 24 statt vor vier Jahren noch 16 Teams sind dabei. Top-Favorit ist der zweimalige Weltmeister Deutschland. Auch die USA, ebenfalls bereits zweimal Titelträger, Frankreich, Schweden und Titelverteidiger Japan sind zu den Favoriten zu zählen.

Die Routinierten

Homare Sawa, 2011 Torschützenkönigin in Deutschland und für das gleiche Jahr zur Weltfußballerin gewählt, nimmt in Kanada an ihrer sechsten WM-Endrunde teil. Damit ist sie dahingehend geschlechterübergreifende Rekordhalterin. Für Japan absolvierte Sawa bereits 198 Länderspiele.

Deutschlands Torfrau Nadine Angerer, ebenfalls 36 Jahre alt, hält "erst" bei 139 Länderspielen. Die Weltfußballerin des Jahres 2013 wird trotzdem nach der WM ihre Karriere als Nationalspielerin beenden. Wehmut, sagt sie, verspüre sie keine, der Hunger auf Erfolg sei größer. "Ich genieße die Zeit total, wie vor jedem anderen Turnier. Ich habe Bock, erfolgreich zu sein." Auch auf Kunstrasen. (sid, rie, 5.6.2015)