Erinnerungspädagoge Wolfgang Schmutz am Grab eines polnischen KZ-Häftlings. Der Mann wurde wenige Tage nach der Befreiuung am Ufer der Gusen von einem geflüchteten SS-Wachmann erschossen.

Foto: Werner Gaisbauer

Die Gedenktour wird mit dem Schlauchboot auf der Gusen durch die Au fortgesetzt.

Foto: Werner Gaisbauer

St. Georgen an der Gusen – Unkraut umrankt den Granitstein am Ufer der Gusen. Erst auf den zweiten Blick ist zwischen den Moosflechten eine Inschrift zu erkennen. Ein Gedenkstein, der an einen polnischen Häftling erinnert, der hier von einem SS-Mann ermordet wurde – wenige Tage nach der Befreiung aus dem KZ Gusen.

Stilles Gedenken

Nur knapp einen Kilometer südlich lag der Ort des NS-Grauens. Die "Hölle" und die "Hölle der Höllen", wie die Lager Gusen I und Gusen II von den Häftlingen bezeichnet wurden. 44.000 Menschen fanden hier den Tod. Das offizielle Gedenken konzentriert sich einmal jährlich neben den groß angelegten Feierlichkeiten im ehemaligen KZ Mauthausen vor allem auf das Gusen-Memorial. Orte wie der vergessene Grabstein am Flussufer sind hingegen nicht Teil der offiziellen Gedenklandschaft.

Doch hier, auf und um die Gusen, die bei Mauthausen in die Donau mündet, überlagert die Geschichte rund um die ehemaligen KZs bis heute die Gegend.

Zweitägige Reise

Die zahlreichen Bezüge und Hinweise auf die NS-Geschichte außerhalb der ehemaligen Lagerbereiche zu entdecken, ist der Kern eines neuen Angebotes. Der Erinnerungspädagoge Wolfgang Schmutz, ehemaliger stellvertretender Leiter der Pädagogik in der Gedenkstätte Mauthausen, lädt gemeinsam mit dem auf Bootsausflüge spezialisierten Unternehmen rivertours.at zu einem ganz besonderen Ausflug in die jüngere Geschichte. Die zweitägige Reise beginnt mit dem Audioweg in Gusen – das Kunstprojekt vermittelt Informationen und Reflexionen zum einstigen KZ-Komplex.

Am zweiten Tag verlässt man dann nach einem kurzen Vormittagsspaziergang durch die Au – besucht wird ein Grabstein, der an einen Jagdunfall erinnert, bei dem ein Treiberjunge aus der Gegend vom Linzer Gestapoleiter Gerhard Bast tödlich verletzt wurde – vorübergehend festen Boden.

Mit dem Schlauchboot gleitet man auf der Gusen durch die Au. Interessierten Geschichtstouristen sei hier zum Bade-Dress geraten. Denn schnell wird klar, warum "Kapitän" Mario Stauder seine Gäste zu Beginn mit einem "Nass und dreckig is’ heute wurscht" begrüßt. Tatsächlich gilt es nicht nur gemütlich zu paddeln, sondern sich an diversen Engstellen in die seichten Fluten zu hechten, um Schwemmgut aus dem Weg zu räumen.

Schwimmende Denkpause

Nächster Halt ist dann die Ruine Spilberg. Zur Zeit des KZ mussten hier Häftlinge archäologische Ausgrabungen durchführen. Initiator Schmutz vermittelt an diesen Stationen fachkundig und einfühlsam die oft unbekannte Geschichte – lässt aber auch entsprechenden Raum für Fragen und Diskussionen. Die entschleunigende Fahrt im Boot gibt den Teilnehmern die Möglichkeit, die Geschichten sickern zu lassen und darüber nachzudenken.

Auf der Gusen führt der Weg in Richtung der Mündung in die Donau. Der letzte Halt liegt dort, wo der Riederbach in die Gusen mündet. Jener Bach, der den Steinbruch des ehemaligen KZ Mauthausen quert und an den vormaligen Häusern der SS im Wiener Graben vorbei rinnt. (Markus Rohrhofer, 8.6.2015)