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118 Frauen beteiligten sich an der szenischen Lesung von Jelineks Text "Schlüsselgewalt". Im Bild ganz vorn: Professorin Gabriella Hauch, Leiterin der AG Unifrauenjubel.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

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Rektor Heinz W. Engl konnte seine Rede über Geschlechterpolitik an den Universitäten nur unter Protest von Studierenden abhalten.

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650 Jahre, das ist ein stattliches Alter. Doch Frauen dürfen an diesem ehrwürdigen Ort, der Universität Wien, erst seit etwas mehr als 100 Jahren mitmischen. "Warum erst 1897?", wollte also ein universitäres Frauenkomitee wissen und lud zu einer sommerlichen Feier im Arkadenhof der Universität Wien.

Elfriede Jelinek, selbst ehemalige Studentin der Uni Wien, schrieb für den Event einen eigenen Text namens "Schlüsselgewalt". Dieser wurde im Rahmen einer performativen Lesung mit insgesamt 118 Frauen – so viele Jahre ist die erste Zulassung von Frauen an der philosophischen Fakultät her – vorgetragen.

"Die Wissenschaft, die Universität, ist das Fremde, in das viele eingelassen werden, das viele für sich nutzen wollen. Doch sie lässt sich nicht auf jeden ein. Nicht ganz so viele sind berufen, noch weniger sind auserwählt", heißt es in dem Text, den der Chor über den gut gefüllten Arkadenhof rief.

"Man musste ja in sie hineinkommen"

"Für den Mann ist Wissen, das er sich aneignet, niemals Schändung, für die Frau das jahrhundertelang nicht denkbar, dass sie in Wissen hineinkommen durfte, man musste ja in sie hineinkommen, damit was weiterging." Die 154 Büsten von Wissenschaftern im Arkadenhof nahmen die Intervention der Geschlechterforscherinnen stoisch zur Kenntnis.

Tatsächlich steht die rein männliche Zurschaustellung von wissenschaftlichen Ehren schon lange in der Kritik. Rektor Heinz W. Engl nutzte bei seiner Ansprache die Gelegenheit, anzukündigen, dass sich an der mangelnden Frauenpräsenz schon bald etwas ändern wird. Ein ausgeschriebener Kunstwettbewerb wird sich der Problematik annehmen. Zudem konnte er berichten, dass im vergangenen Jahr 50 Prozent der Professuren von Frauen besetzt wurden. "Ein All-Time-High", wie Engl stolz erklärte. Normalerweise sind es bei Neubesetzung um die 30 Prozent Frauen, die zum Zug kommen.

Weniger in Feierlaune waren die Aktivistinnen des Wiener Masterstudiengangs Gender Studies. Ihre Plakate erinnerten Rektor Engl an die nicht nachbesetzte Genderprofessur, die seit Monaten für Unmut sorgt. "Die Studierenden müssen jetzt unterrichtet werden, ihre Arbeiten müssen jetzt betreut werden, Rektor Engl. Die Studierenden haben nichts davon, wenn Sie sie auf nächstes oder übernächstes Jahr vertrösten", kritisierten die Studierenden.

Gesellschaftliche Bewegung durch Gender Studies

Auch die Rede der Neurowissenschafterin Sigrid Schmitz, ehemalige Professorin für Gender Studies, machte die aktuellen Kämpfe zum Thema. "Das Wissen der Gender Studies hat Bewegung (in der Gesellschaft, Anm.) erzeugt. Stereotype wurden durch dieses Wissen herausgefordert", betonte Schmitz. Und in Richtung der GegnerInnen der Gender Studies ließ sie wissen: "Die Gender Studies wollen streitbar bleiben und verunsichern."

Die Biochemikerin Renée Schröder appellierte bei ihrer Ansprache für "noch mehr Sichtbarkeit" von Frauen in der Wissenschaft und kritisierte aktuelle Normen der Hochschulpolitik, zu denen auch die Mobilität der WissenschafterInnen zähle. "Ich finde, diese geforderte Mobilität ist nichts Positives, weil sie verhindert, dass wir das Potenzial der jungen Menschen erkennen und fördern können", erklärte Schröder.

Und Elfriede Jelinek? Die Schriftstellerin hat ihr Studium an der Universität nie abgeschlossen. In ihrem Text erläuterte sie, vorgetragen in einer Solostimme, ihre damalige Entscheidung: "Mir hat sich damals, vor vielen Jahren, nichts eröffnet, keine Tür, nicht einmal ein Briefkasten, an dem mir etwas hätte zugestellt werden können. Es hat sich alles immer nur mit irgendwelchem Gerümpel zugestellt, ich habe den Weg nicht gesehen." Ein Schicksal, das sie vermutlich bis heute mit vielen Studierenden teilt. Jelinek hat das "Gerümpel" entfernt und dann ihr eigenes Gedanken-Universum errichtet. (freu, 11.6.2015)