Allein 2.954 Betretungsverbote wurden im Vorjahr in Wien verhängt, also rund vierzig Prozent, obwohl nur etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung in der Bundeshauptstadt leben.

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Der Grüne Steinhauser kritisiert: "Zu jeder Scheidung werden mehr Daten erhoben als bei innerfamiliärer Gewalt. Da kann der Staat den Prozentsatz angeben, wie viele Selbstständige unter dreißig nach wie vielen Jahren Ehe geschieden worden sind."

Foto: APA / Herbert Neubauer

Wien – Exakt 7.567 Betretungsverbote angesichts häuslicher Gewalt wurden von der Polizei hierzulande im Vorjahr verhängt – allein 2.954 davon in Wien, also rund vierzig Prozent, obwohl nur etwa zwanzig Prozent der Bevölkerung in der Bundeshauptstadt leben.

Das legt die Statistik 2014 zur Anzahl der Wegweisungen in den Bundesländern offen (siehe Grafik), die aus den aktuellen Beantwortungen parlamentarischer Anfragen der Grünen an das Innen- und Justizressort hervorgeht. Was darin auch abzulesen ist: dass enorme Informationslücken aufklaffen, was Übergriffe in den vier Wänden der Österreicher betrifft, wie Albert Steinhauser, Justizsprecher der Oppositionspartei, kritisiert.

Keine Angaben zu Geschlechterverhältnis

Denn obwohl sich die Republik gegenüber dem Europarat verpflichtet hat, genauere Datenerhebungen – vor allem zur Verhütung von Gewalt gegen Frauen – zu machen, können die Ministerien keine Angaben zum Geschlechterverhältnis bei den Wegweisungen machen, ebenso wenig wie zu den Verwandtschaftsverhältnissen zwischen Gefährdern und bedrohten Personen sowie zu allfälligen Festnahmen.

Exorbitanter Verwaltungsaufwand

In der Antwort von Ministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit der Geschäftszahl BMI-LR2220/0337-II/2/a/2015, die dem STANDARD vorliegt, findet sich folgende Begründung dafür: "Von einer anfragebezogenen retrospektiven manuellen bundesweiten Auswertung (...) wird auf Grund des exorbitanten Verwaltungsaufwandes und der damit im Zusammenhang stehenden enormen Ressourcenbindung im Hinblick auf die Grundsätze der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (...) Abstand genommen."

Verlauf von Anzeigen unbekannt

Auch über den Verlauf von Anzeigen wegen Delikten rund um häusliche Gewalt konnte nichts bekanntgegeben werden – nur so viel: 7.923 Anzeigen erfolgten 2014 etwa wegen Körperverletzung, 212 wegen Vergewaltigung, 37 gar wegen Mordes. Dazu wurde festgehalten, wie viele Verwaltungsstrafen wegen Missachtung eines Betretungsverbots (bis zu 500 Euro beziehungsweise eine ein- bis zweiwöchige Ersatzfreiheitsstrafe) ausgestellt wurden – nämlich 764. Ebenso ausgewiesen: dass im Vorjahr 514-mal entsprechende einstweilige Verfügungen von Gerichten nicht beachtet wurden.

Scheidungen besser dokumentiert

Steinhauser zu den mageren Ergebnissen: "Zu jeder Scheidung werden mehr Daten erhoben als bei innerfamiliärer Gewalt. Da kann der Staat den Prozentsatz angeben, wie viele Selbstständige unter dreißig nach wie vielen Jahren Ehe geschieden worden sind."

Um adäquate Präventionsarbeit leisten zu können, beanstandet der Grüne, sei es von Bedeutung zu wissen, wieso auf dem Land wegen häuslicher Bedrohung offensichtlich noch immer seltener die Polizei gerufen wird als in Wien.

Notruf mit Folgen

Eine Antwort darauf kann Rosa Logar von der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie geben. In ländlichen Gegenden hätten die Opfer wohl mehr Skrupel, um Hilfe zu rufen, weil "das sozial mehr auffällt. In jeder Siedlung bekommen die Nachbarn mit, vor welcher Tür ein Polizeiauto mit Blaulicht vorfährt."

Auch Logars Verein tritt für eine bessere Erforschung der Daten rund um Notrufe, Anzeigen und strafrechtliche Schutzzuweisungen ein, um die Dunkelziffer bei häuslichen Übergriffen zu minimieren. Für 2014 hat die Stelle übrigens neben vielen anderen Tabellen aufgelistet, dass von 6.081 betreuten Opfern 87 Prozent weiblich, 13 Prozent männlich waren – "weil das für uns verpflichtend ist", erklärt Logar. "Das sollten alle Behörden so handhaben." (Nina Weißensteiner, 16.6.2015)