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Die Schuld an einer Vergewaltigung trägt immer noch einer allein: der Vergewaltiger.

Foto: Reuters/BAZ RATNER

Die Parole "Nein heißt Nein" begleitet die Frauenbewegung seit Jahrzehnten. Im Zuge der Reform des Strafgesetzbuchs wird das "Nein" nun in Österreich erstmals rechtlich verankert: Zu einem Schuldspruch führte eine Vergewaltigung bisher meist nur dann, wenn massive Gewaltanwendung, Nötigung oder Freiheitsentzug hinzukamen.

Die Änderungen im Gesetzesentwurf beim Tatbestand der Vergewaltigung wird von ExpertInnen zwar als Fortschritt anerkannt, die juristische Debatte hinkt den gesellschaftspolitischen – zumindest den feministischen – Debatten dennoch hinterher.

Enthusiastisches Ja

Die auf sexuelle Selbstbestimmung abzielende Devise "Nein heißt Nein" wurde in den letzten Jahren vor allem in den USA in "Ja heißt Ja" umformuliert. Das Konsens- bzw. Zustimmungsprinzip verschiebt den Fokus auf einvernehmlichen Sex, also die aktive Zustimmung aller Beteiligten. Vor diesem Hintergrund reicht die bloße Abwesenheit eines Neins nicht aus, um konsensualen Sex zu haben. 2008 veröffentlichten die beiden US-amerikanischen Autorinnen Jessica Valenti und Jaclyn Friedman den Sammelband "Yes means Yes", in dem sie "Visionen einer weiblichen sexuellen Macht und einer Welt ohne Vergewaltigung" entwickeln. "Bei dem Konsens, von dem ich spreche, geht es nicht nur darum, ob dein Partner / deine Partnerin Sex haben möchte, sondern auch darum, welchen und warum", schreibt darin Rachel Bussel. Sex erfordere also vor allem eines: Kommunikation.

Diesem Credo hat sich auch die Berliner Kommunikationswissenschafterin Laura Méritt verschrieben, die einen feministischen Sexshop und Salon betreibt. "Es ist größtenteils leider so, dass Sex einfach praktiziert wird, ohne darüber zu sprechen. Es ist aber sehr wichtig, sich darüber zu verständigen, was passieren soll, was gefällt und was nicht und auch wo die Grenzen sind." Die per Selbstdefinition sexpositive Feministin und Initiatorin des Feminist Porn Award "PorYes" wird nicht müde, darauf hinzuweisen, dass sexuelle Kommunikation eine enorme Bereicherung für Lust und Liebesleben darstelle. Sexpositive Feministinnen kämpfen für individuelle sexuelle Freiheiten und stehen in Opposition zu Aktivistinnen, die sich für ein Verbot von Pornografie einsetzen.

Méritt ist davon überzeugt, dass die Fähigkeit, eigene Wünsche und Grenzen zu formulieren, immer wieder im Dialog mit SexualpartnerInnen trainiert werden müsse. Sexualität ist nichts Statisches, sondern ein Prozess. "Was ich will, kann sich auch ändern. Das Bewusstsein, dass Sexualität sich verändert, ist ganz elementar, wird aber häufig nicht benannt. Dadurch entsteht auch die Angst davor, zu sagen: So möchte ich das nicht mehr", sagt Méritt.

Klare Spielregeln

Nicht erst seit "50 Shades of Grey" werden BDSM-Praktiken mit Grenzüberschreitungen und fehlendem Konsens in Verbindung gebracht. Rechtsanwalt Manfred Ainedter, der Mitte April in der Diskussionssendung "Im Zentrum" über die Änderungen im Sexualstrafrecht diskutierte, nannte den Erotikbeststeller ein Beispiel für "Gewaltverherrlichung" und die angebliche Unverhältnismäßigkeit in der gesellschaftlichen Debatte: "SM ist super und Grapschen ist schlecht. Ich kann es nicht nachvollziehen", sagte Ainedter.

Auch wenn "50 Shades of Grey" tatsächlich dafür in der Kritik steht, keine lustvolle sadomasochistische, sondern eine gewaltvolle Beziehung abzubilden, so sind Freiwilligkeit und Konsens elementare Prinzipien von BDSM. "Es gibt in der Szene das Prinzip 'safe, sane, consensual', also sicher, vernünftig und einvernehmlich. Vor dem Spiel wird abgesprochen, was passiert. Und auch während des Spiels gibt es jederzeit die Möglichkeit, Stopp zu sagen. Hier kann man sich durchaus etwas abschauen für andere sexuelle Situationen", sagt Laura Méritt.

Rape-Culture

Auch in den USA gab es im Herbst vergangenen Jahres eine aufgeregte Debatte um ein Gesetz, das den Bereich der sexuellen Selbstbestimmung regelt. Das vom Bundesstaat Kalifornien verabschiedete "Yes means Yes"-Gesetz betrifft allerdings nur staatlich finanzierte Hochschulen. Diese sind verpflichtet, das Zustimmungsprinzip bei sexuellen Handlungen in ihre Universitätspolitik aufzunehmen. Nur die aktive Zustimmung durch verbale Äußerungen oder etwa Nicken stellt den Konsens her, stark betrunkene oder schlafende Menschen sind von diesem Prinzip somit ausgeschlossen. Wer gegen die Campusregeln verstößt, kann etwa von der Universität verwiesen werden. Viele Hochschulen hatten ähnliche Richtlinien allerdings schon zuvor in ihre Campusregeln integriert. KritikerInnen beklagen, eine solche Regelung würde sexuelle Begegnungen verunmöglichen und Männer unter Generalverdacht stellen.

In den USA wird laut Schätzungen jedoch jede fünfte Studentin Opfer sexueller Übergriffe – feministische Aktivistinnen kämpfen seit vielen Jahren gegen die "Rape-Culture" im universitären Leben, die dazu führt, dass sexuelle Gewalt verharmlost wird. Eine von ihnen ist Sofie Karasek. Sie spricht von sich als "Überlebende", nicht als Opfer sexueller Gewalt.

Die Studentin der politischen Ökonomie an der University of California, Berkeley, hat die Organisation "End Rape On Campus" mitgegründet. Karasek war zentrale Unterstützerin des kalifornischen "Yes means Yes"-Gesetzes und berät StudentInnen, wo sie Beschwerden einreichen können, wenn Universitäten trotz Übergriffen auf dem Campus untätig bleiben. "Wir kämpfen dafür, die Kultur zu verändern, die sexueller Gewalt kein Ende setzt, sondern sie befördert. Um diesem Ziel näher zu kommen, sind Schulen ganz entscheidend, sie müssen Wissen über gesunde Beziehungen und das Konsensprinzip altersgerecht vermitteln. Es geht nämlich darum, die Normen zu verändern, die sexuelles Handeln prägen", sagt Karasek.

Auf Augenhöhe

Dieses Anliegen teilte auch die Slutwalk-Bewegung, die 2011 in Toronto ihren Ausgang nahm. Der kanadische Polizist, der an einer Hochschule davon sprach, dass Frauen "sich nicht wie Schlampen anziehen" sollten, um nicht Opfer sexueller Gewalt zu werden, löste wütende Proteste überwiegend junger Frauen aus. "A dress is not a yes" war auf Plakaten rund um den Globus zu lesen – ein Slogan, der sich gegen sogenannte Vergewaltigungsmythen richtet. Es handelt sich dabei um Glaubenssätze, die eine Täter-Opfer-Umkehr betreiben und tief in der patriarchal strukturierten Gesellschaft verankert sind.

Eine Frau, die sich nachts alleine in Bars herumtreibt, werde eben belästigt – eines von vielen Beispielen, wie sexuelle Gewalt gerechtfertigt wird. "Sexuelle Kontakte oder Beziehungen auf Augenhöhe sind einfach der beste Schutz gegen sexuelle Ausbeutung. Eine unabhängige Existenzsicherung und ein selbstbestimmtes Leben von Frauen sowie ein Ermächtigtsein über den eigenen Körper sind sicher die beste Medizin", sagt Alexandra Schmidt, Frauenbeauftragte der Stadt Salzburg, die sich für "Ein Nein muss genügen" im österreichischen Recht starkgemacht hat. Es könnte der nächste Schritt auf dem Weg zum "Ja heißt Ja" werden, das die Kommunikation auf Augenhöhe als Voraussetzung braucht. (Brigitte Theißl, 21.6.2015)