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Baustelle Asyl: Die derzeitige Situation ist eine Schande für Österreich.

Foto: APA/dpa/Julian Stratenschulte

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Das Integrationshaus ist 20 Jahre alt. Andrea Eraslan-Weninger und Willi Resetarits, Sänger und Ehrenpräsident des Wiener Integrationshauses, auf einem Foto aus dem Jahr 1997.

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Das Integrationshaus in Wien ist 20 Jahre alt. Die Spurensuche zur Geschichte des Hauses in der Leopoldstadt führt zu Persönlichkeiten, die in ihren Lebensgeschichten mit den derzeitigen Bewohnerinnen und Bewohner eines gemeinsam haben: Sie wurden aus ihrer Heimat vertrieben und zur Flucht gezwungen. Der jüdische Architekt des Hauses, Karl Jaray, musste 1938 nach Prag und später nach London flüchten – ähnlich erging es den Auftraggebern des Hauses in der Engerthstraße, der jüdischen Unternehmerfamilie Bunzl & Biach: Sechs Brüder wurden in die Emigration getrieben, ihnen gelang die Flucht nach England, in die Schweiz und in die USA.

Seit 1995 die ersten Bewohnerinnen und Bewohner – damals vor allem Flüchtlinge aus Bosnien – ins Integrationshaus einzogen, ist es dessen Ziel, eine Alternative zu den Großquartieren zu schaffen. Nur kleinere Wohneinheiten mit psychosozialer Betreuung können den Flüchtlingen Schutz und Geborgenheit vermitteln.

Niemals zuvor so viele Flüchtlinge

Aktuell sind 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung. Dies ist die höchste Zahl, die jemals vom UNHCR verzeichnet wurde, und sie wächst rasant, wie der eben veröffentlichte statistische UNHCR-Jahresbericht "Global Trends" belegt. Deshalb muss Europa umdenken, legale Fluchtwege öffnen und viel mehr Flüchtlingen Schutz bieten.

Es braucht ein erweitertes Rettungsprogramm und ein gutes Krisenmanagement für die Flüchtlinge, die über das Meer kommen. Nicht nur Unterbringung und Versorgung, sondern vor allem auch ausreichende professionelle medizinische und psychologische Hilfe für die Menschen, die die Überfahrt überlebt haben, sind notwendig. Flüchtlinge müssen auch die Möglichkeiten haben, in europäischen Botschaften in Krisenregionen Einreise und internationalen Schutz beantragen zu können. Besonders wichtig ist auch, Familienzusammenführungen für Menschen zu ermöglichen, die hier Angehörige haben.

Echte Solidarität ist notwendig – auch in Österreich

Resettlementprogramme und Maßnahmen für eine humanitäre Aufnahme in Österreich und in Europa müssen rasch ausgebaut werden. Jetzt ist echte europäische Solidarität – vor allem mit den Ländern, an deren Küsten die Flüchtlinge ankommen – angesagt. Eine Einigung zu einer großzügigen solidarischen Aufnahme ist dringend geboten. Österreich darf sich nicht aus der Verantwortung stehlen und muss – als zweitreichstes Land der EU – einen großen Beitrag leisten.

Österreich muss für eine menschenwürdige Aufnahme und Integration von Flüchtlingen sorgen. Die derzeitige Situation ist eine Schande für Österreich. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Integrationsminister Sebastian Kurz haben jedenfalls bislang nicht die richtigen Schritte gesetzt und tragen Verantwortung für die Situation, in der wir uns heute befinden: Mehr als 1.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge werden ohne entsprechende Genehmigung der Kinder- und Jugendhilfe, ohne Betreuung und ohne Obsorgeberechtigte einfach in Bundesbetreuung verwahrt. Asylverfahren werden rechtswidrig nicht bearbeitet, und anstelle der Schaffung von Betreuungsstandards werden Asylsuchende sogar in Zelten untergebracht. Nach wie vor dürfen Asylsuchende nicht arbeiten, und es mangelt an Integrationsangeboten.

Nationaler Aktionsplan für Asyl

Integration wird hierzulande politisch behindert statt gefördert. Daher braucht es dringend einen nationalen Aktionsplan für Asyl, bei dessen Planung NGOs maßgeblich miteinbezogen werden müssen.

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge sind in die Verantwortung der Kinder- und Jugendhilfe der Bundesländer zu übernehmen – zu den gleichen Unterbringungsstandards wie österreichische Kinder.

Die Tagsätze für organisierte Quartiere sollen auf 25 Euro angehoben werden, ebenso sollen die Kostensätze für privat Wohnhafte an jene der organisierten Quartiere angeglichen werden, damit Asylsuchende am Wohnungsmarkt selbst Unterkünfte finden können. Es braucht eine sofortige Bereitstellung von Wohnraum für Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sowie entsprechende flächendeckende Integrationsangebote und eine Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylsuchende, die bereits länger als sechs Monate im Asylverfahren sind. All dies zeigt: Das Integrationshaus ist aufgrund der aktuellen politischen Lage leider notwendiger als je zuvor. (Andrea Eraslan-Weninger, 19.6.2015)