"Sortes Astrampsychi", Fragment.

Foto: Österreichische Nationalbibliothek

Wien – Am 26. April des Jahres 6 n. Chr. bat der Ägypter Asklepiades den Gott Soknopaios um die Entscheidung seines Eheglücks: "Wenn es mir nicht vergönnt ist, dass ich Tapetheus, die Tochter des Marreios, heirate, zeige es mir an und gib mir diesen Zettel." Bei dem Zettelchen, der die negative Frage eines Losorakels überliefert, handelt es sich um eines der 74 Exponate, die derzeit in der Papyrussammlung der Österreichischen Nationalbibliothek zu sehen sind.

Orakelsprüche, Magie und Horoskope: Wie Ägypten in die Zukunft sah heißt die von Angelika Zdiarsky kuratierte Ausstellung, die historische Dokumente in ägyptischer, griechischer, koptischer und arabischer Sprache präsentiert. Die Schriftstücke aus mehr als 1800 Jahren ägyptischer Geschichte vermitteln dem Besucher einen lebendigen Eindruck vom Alltag der Menschen, ihren Sehnsüchten und Sorgen.

Der koptische Bauernkalender aus dem 9. oder 10. Jahrhundert etwa prophezeit, dass die Früchte gut gedeihen werden, sollte es im April donnern, und dass viel Regen fällt, wenn im November die Erde bebt. Und im 6. bzw. 7. Jahrhundert wurden Silberlamellen und bemalte Papyrustäfelchen als Amulette am Körper getragen, um sich gegen Skorpionstiche oder Tollwut zu schützen.

Ernte, Gesundheit, Krieg

Die Sortes Astrampsychi wiederum sind ein ausgefeiltes Orakelsystem aus dem römischen Ägypten des 5. Jahrhunderts, das der Legende nach von dem berühmten Mathematiker Pythagoras konzipiert worden ist. Um dem komplizierten Algorithmus dieses Buches eine Antwort abzutrotzen, sind eigene Spezialisten nötig.

Neben der Wahl des richtigen Partners waren es – nicht viel anders als heute auch – vor allem die Gesundheit und finanzielle Belange, nach denen die Orakel befragt und aufgrund deren Horoskope angelegt wurden.

Die Exponate bezeugen dabei, dass die Formen über sprachliche Grenzen hinweg oft dieselben blieben: Vor den großen Kämpfen des ägyptischen Heeres wurden die Konstellationen der Sterne und des Mondes ebenso in Rechnung gestellt wie bei der Ernte eines koptischen Bauern oder der Geburt eines arabischen Kindes.

Die kleine, überschaubare Ausstellung gibt einen guten Überblick über die verschiedenen Praktiken, mit denen im alten Ägypten die Zukunft befragt wurde. Einige Papyrusstücke wurden nach aufwendigen Rekonstruktionsarbeiten erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Die Betextung der Objekte lässt manche Fragen offen, die meisten können aber mit dem Blick in das Begleitbuch beantwortet werden. Als Besucher hätte man sich dennoch eine fasslichere historische Einbettung der Schriftstücke gewünscht – etwa in Form fortlaufender Zeittafeln. (Franz Schörkhuber, 30.6.2015)