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Wer Genauigkeit liebt, kann seine Uhr heute Nacht umstellen.

Foto: AP Photo/Patrick Semansky

Wien – Aufgrund einer Schaltsekunde wird der 30. Juni heuer um genau diese länger dauern – wobei genau genommen für uns der 1. Juli verlängert wird. Um Mitternacht der Weltzeit UTC (Mitteleuropäische Sommerzeit: Mittwoch, 01:59:59 Uhr) ist es soweit: Auf die Sekunde 23:59:59 folgt 23:59:60 (bei uns 01:59:60) – und erst dann beginnt der 1. Juli mit 0:00:00.

Kaum jemand wird seine Uhr zurückstellen, dabei hat diese Sekunde große Bedeutung für unser Leben: Etwa für die Nutzer von Navigationssystemen. Schaltsekunden wurden eingeführt, da die Länge des Tages an die Rotation der Erde um ihre eigene Achse gekoppelt ist, und diese wird im Lauf der Zeit immer langsamer, erklärt Johannes Böhm von der TU Wien den Grund. Ab und zu führt der internationale Dienst für Erdrotation und Referenzsysteme (IERS) daher eine Zusatzsekunde ein, damit die offizielle Zeit und die Rotation der Erde nicht immer weiter auseinanderlaufen.

Es liegt am Mond

"Der Mond dehnt die Erde ein bisschen. Es bilden sich Flutberge aus, und auch die feste Erde wird verformt", so Böhm. Allerdings kann die Erde aufgrund ihrer inneren Reibung die Verformung nicht augenblicklich ändern, wenn sie sich weiterdreht. Daher zeigt die entstehende Ausbuchtung nicht exakt in Richtung Mond, die Verformung wird durch die Erdrotation immer ein bisschen vom Mond weggedreht.

"Diese Asymmetrie bewirkt, dass der Mond ein Drehmoment auf die Erde ausübt und die Rotation der Erde ein kleines bisschen bremst", sagt Böhm. Gleichzeitig wandert der Mond dabei immer weiter von der Erde weg.

Noch nicht genau genug

Eine Sekunde mag zwar in unserem Alltag die kleinste relevante Zeiteinheit sein – anderswo, etwa in der Forschung, arbeitet man allerdings längst mit viel höheren Genauigkeiten. Daher habe man in der Forschung längst keine andere Wahl mehr, als komplizierte Korrekturen mit Mikrosekundengenauigkeit zu berücksichtigen, sagt Böhm – egal ob Schaltsekunde oder nicht, zumindest, wenn man nicht jede Minute eine "Schaltmikrosekunde" einführen möchte.

Böhm plädiert daher letztlich für die Abschaffung der Schaltsekunde. Im Grunde wäre es kein Problem, länger zu warten, und dann nach einigen Jahrzehnten eine ganze Schaltminute einzufügen, so der Wissenschafter.

Rufe zur Abschaffung von Schaltsekunden sind in den vergangenen Jahren immer wieder laut geworden – unter anderem weil sie Computersystemen Probleme bereiten könnten. Tatsächlich sind Schaltsekunden in den vergangenen Jahren deutlich seltener eingelegt worden. Die jetzige ist erst die vierte seit dem Jahr 2000. Von 1972, als erstmals eine Schaltsekunde eingelegt wurde, bis 1999 gab es fast eine Schaltsekunde pro Jahr. (red/APA, 30.6. 2015)