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Flüchtlinge aus dem Südsudan in Kenia. Insgesamt sind rund zwei Millionen Menschen auf der Flucht vor dem Bürgerkrieg, rund 500.000 davon befinden sich in den Nachbarländern.

Foto: Reuters / THOMAS MUKOYA

Juba / New York – Im Frühjahr hatte es noch so ausgesehen, als sei die Tür zu einer Einigung im südsudanesischen Bürgerkrieg endlich aufgegangen. Doch der im März ausgehandelte Waffenstillstand war– wie viele vorangegangene Vereinbarungen – das Papier nicht wert, auf dem er gedruckt war. Innerhalb weniger Tage brachen die Kämpfe zwischen Regierungstruppen (Sudanesische Volksbefreiungsarmee SPLA) und Rebellen (Sudanesische Volksbefreiungsbewegung in Opposition, SPLM-IO) wieder aus. Wie tief der Hass und die Enthemmung auf beiden Seiten mittlerweile fortgeschritten sind, zeigt ein am Dienstag vorgestellter UN-Bericht.

Das neue Papier der UN-Mission im Südsudan (Unmiss) erhebt vor allem konkrete Vorwürfe gegen die Regierungstruppen und verbündete Milizen. Bei Kämpfen Anfang April sollen demnach innerhalb weniger Tage mehr als 100.000 Menschen aus ihren Dörfern in mehreren Regionen des Bundesstaates Unity vertrieben worden sein. Im Bericht, für den insgesamt 115 Augenzeugen und Opfer interviewt wurden, ist zudem von Gräueltaten die Rede: Zahlreiche Frauen und Mädchen sollen entführt und sexuell missbraucht worden sein, einige wurden danach offenbar bei lebendigem Leibe verbrannt.

Bis zu 13.000 Kindersoldaten

Der Bericht reiht sich in eine traurige Liste ähnlicher Veröffentlichungen der UN und internationaler Hifsorganisationen ein. Immer wieder ist die Rede von Übergriffen gegen Kinder – vor rund einer Woche hatte schon das UN-Kinderhilfswerk Unicef schwere Vorwürfe gegen beide Seiten erhoben und vor den psychologischen Folgen gewarnt. Einer ganzen Generation könnte die Verrohung durch den Krieg zum Verhängnis werden. Dazu passt ein weiterer Bericht des ostafrikanischen Staatenbundes Igad vom vergangenen Donnerstag: Demnach sollen jüngst bis zu tausend Kinder, teils im Alter von 13 Jahren, als Kämpfer rekrutiert worden sein. Insgesamt wird die Zahl der Kindersoldaten auf beiden Seiten auf bis zu 13.000 geschätzt.

Und ein Ende der Kämpfe scheint auch nach fast eineinhalb Jahren nicht absehbar – trotz zwei Millionen Vertriebener und einer Opferzahl, die offiziell mit rund 10.000 angegeben wird, in Wahrheit aber wesentlich höher liegen dürfte. Monatelange Vermittlungsversuche des Igad, der USA, Norwegens und mehrerer Regionalmächte haben sich als so gut wie ergebnislos erwiesen. Und selbst die Frage, wie ein Deal aussehen könnte, der beiden Konfliktparteien ausreichend Anreiz zu einer Zusammenarbeit bietet, ist völlig unklar. Von einer gemeinsamen Regierung von Präsident Salva Kiir und Rebellenchef Riek Machar war die Rede, von einer neuen Machtverteilung und einer Reintegration der Rebellen in die MPLA.

Keine Lösung in Sicht

Doch das alles wurde schon einmal versucht – immerhin war der politische Streit zwischen Kiir und seinem früheren Vizepräsidenten Machar im Dezember 2013 der Auslöser für den Bürgerkrieg, der anfangs als Machtkampf der beiden Männer galt, aber mittlerweile längst Züge eines ethnischen Konflikts angenommen hat. Die beiden Männer gehören den beiden größten der zahlreichen ethnischen Gruppen des Landes an– Kiir jener der Dinka, Machar jener der Nuer.

Hinter den Überlegungen zu einem Friedensprozess steht auch ein weiteres Dilemma: Ein neuer Staat, heißt es einerseits, könnte nur ohne Kiir und Machar aufgebaut werden, hieß es jüngst bei einer Expertentagung im kenianischen Nairobi. Frieden könne aber nicht geschaffen werden, solange beide für diesen Fall mit Machtverlust oder juristischer Verfolgung rechnen müssen. Daher hätten beide womöglich ein Interesse daran, den Konflikt am Laufen zu halten. Unklar ist aber auch, inwieweit die Politiker die einzelnen Heeresverbände noch unter Kontrolle haben – ob sie also, guten Willen vorausgesetzt, überhaupt in der Lage wären, Frieden zu schließen.

Sanktionen als Ausweg

Weil die diplomatischen Bemühungen keine Früchte tragen, versucht es die internationale Gemeinschaft nun mit Sanktionen: Eine von den USA geführte 15-köpfige Expertengruppe hat jüngst je drei hohe Militärs beider Seiten als Ziele von Strafmaßnahmen ausgewählt. Sie wurden mit internationalen Reisesperren belegt, der Zugriff auf Vermögen im Ausland soll ihnen erschwert werden.

Doch ob Sanktionen mehr sein können als ein Tropfen auf den heißen Stein, ist sehr umstritten. Zudem nähren sie Vorbehalte gegenüber der UN, die mit mehr als 14.000 internationalen Unmiss-Friedenssoldaten im Land vertreten ist und in ihren Basen zeitweise 130.000 Kriegsflüchtlingen Schutz geboten hat. Anfang Juni wurde der UN-Koordinator für humanitäre Hilfe im Südsudan, Toby Lanzer, von der Regierung Salva Kiirs des Landes verwiesen. Er habe auf Twitter falsche Angaben zur Lage im Land gemacht, heißt es dazu in Juba. (mesc, 30.6.2015)