Zermatt – Die Warnung war unmissverständlich: "Kommt diesem Gipfel nicht zu nahe." Mächtige Geister – davon waren Schweizer Bergbauern überzeugt – schleuderten Steinbrocken ins Tal, damit der Schönheitskönig der Alpen unberührt bleibt. Doch am 14. Juli 1865 war es so weit: Majestät Matterhorn wurde von einer Seilschaft um den erst 25-jährigen Engländer Edward Whymper bezwungen.

150 Jahre danach wird das Jubiläum der Erstbesteigung des bekanntesten Schweizer Berges aufwendig gefeiert. Heute klettern jährlich rund 3.000 Männer und Frauen vom Ferienort Zermatt aus auf das einzigartig gezackte, 4.478 Meter hohe "Hore", wie die Einheimischen den weltbekannten "Riesenzahn" nennen. Fast jedes Jahr kommt es dabei zu tödlichen Unfällen. Mehr als 500 Menschen verloren bisher am Matterhorn ihr Leben.

Zum Jubiläum bleibt der Berg gesperrt

"Triumph und Tragödie lagen schon bei der Erstbesteigung nahe beieinander", sagt Hermann Biner, der Präsident der internationalen Vereinigung der Bergführerverbände. Vier der sieben Matterhorn-Bezwinger waren damals in den Tod gestürzt.

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Ob seiner außergewöhnlichen Form ist das Matterhorn ein beliebtes Fotomotiv ...
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Auch an ihr Schicksal wird am 14. Juli mit einer einzigartigen Geste erinnert. "Anders als bei früheren Jubiläen bleibt der Berg gesperrt", sagt Biner. "Wir verneigen uns vor den Menschen, die dort umgekommen sind." Wer trotzdem den Aufstieg versucht, werde daran gehindert, warnt die Gemeinde Zermatt – und müsse mindestens 5.000 Franken (4.800 Euro) für den Hubschraubereinsatz der Bergwacht zahlen.

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... egal zu welcher Jahres- ...
Foto: AP Images/Christian Gisi

Doch in den Tagen rund um das Jubiläum erinnert die steile Strecke von der im Jahr 1880 auf 3.260 Metern Höhe erbauten und vor kurzem modernisierten Hörnlihütte an einen Massenklettersteig. Alpinisten aus etlichen Ländern folgen den Spuren der Eroberer. Bis zu ihrem Erfolg war das Matterhorn jahrzehntelang der letzte Alpenviertausender, dessen Eroberung noch Ruhm und Ehre versprach. An den hohen Preis, den vier Erstbesteiger dafür zahlten, erinnern Grabsteine auf dem Friedhof der Zermatter Pfarrkirche St. Mauritius.

"The Matterhorn Story" als Theaterstück

Nacherlebbar wird die Dramatik der Erstbesteigung auf der laut Zermatt-Werbung höchstgelegenen Freilichtbühne Europas: Neben der Station Riffelberg (2.582 Meter) der Gornergrat-Zahnradbahn wird auf einer Alpenwiese das Theaterstück "The Matterhorn Story" aufgeführt – mit dem "Hore" als stillem Superstar in malerischer Bergkulisse.

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... Tages- oder Nachzeit. Aber auch auf Video kommt das Schweizer Nationalsymbol gut rüber ...
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Das Stück der Berner Autorin und Regisseurin Livia Anne Richard rückt die Rolle des ehrgeizigen Alpinpioniers Whymper in ein neues Licht. Deutlicher als früher wird gezeigt, dass es der Brite kaum ohne die Zermatter Bergführer Peter Taugwalder Vater und Peter Taugwalder Sohn bis zum Gipfel geschafft hätte – und schon gar nicht heil nach unten.

Erreicht hatte Whymper die Spitze im erbitterten Wettkampf gegen eine von italienischer Seite emporkletternde Seilschaft. Für den aus einfachen Verhältnissen stammenden Illustrator wurde der Sieg zur Eintrittskarte in die bessere Gesellschaft. Den anderen sechs Männern brachte er kein Glück.

Superhelden der Alpen

Neben den Taugwalders gehörten der französische Bergführer Michel Croz und die Briten Reverend Charles Hudson, Lord Francis Douglas und Douglas Robert Hadow dazu. Vor der steilen Nordwand kam es beim Abstieg zur Katastrophe: "Plötzlich schossen die vier wie eine kleine Wolke in die dünne Luft", schrieb Taugwalder junior später. "Das Seil riss, als wäre es ein Stück Schnur, und die vier jungen Männer waren nicht mehr sichtbar."

... wie dieses Video von Markus Eichenberger beweist. Auch sein Video vom Jungfraujoch ist absolut sehenswert: Sie finden es hier.
Markus Eichenberger Photography

Whymper habe danach so heftig gezittert, "dass er kaum fähig war, einen Schritt vorwärts zu tun ... ohne uns wäre auch er umgekommen", berichtete Taugwalder. Doch die Welt wollte eher der Darstellung des Briten glauben, der seine Schweizer Bergführer als unfähige Feiglinge mies machte und sich selbst zum Superhelden der Alpen stilisierte. Zermatter Geschäftsleute profitierten davon, dass Whymper als werbestarkes Vorbild Heerscharen zahlungskräftiger Briten anlockte, die dem Alpentourismus in der Schweiz zum Aufschwung verhalfen.

Der steckt heute allerdings trotz großer Werbekampagnen in Schwierigkeiten. Schuld sind Wirtschaftskrise und Euro-Abwertung. Kein Wunder, dass die rund 120 Hotels in Zermatt nicht ausgebucht sind. Immerhin hofft Tourismus-Direktor Daniel Luggen, dass dank der Jubiläumsfeiern eine Belegung von mehr als 70 Prozent erreicht wird. (APA, dpa, 7.7.2015)