Frauen sind bereits mit einem Anteil von mehr als sechzig Prozent an der Uni Wien die Mehrheit – bei den Studierenden. Am Rednerpult stehen aber immer noch vorwiegend Professoren.

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Wien – Ihre Arbeit brachte sie an ihren Forschungsinstituten in die erste Reihe, ihr Lebenslauf reiht prämierte Papers und Auslandsaufenthalte aneinander. Trotzdem unterschätzen gut ausgebildete, erfolgreiche Frauen oft ihr Können – sie leiden am sogenannten Impostor-Syndrom. "Frauen, die weit oben stehen, haben manchmal Angst, dass ihre Position nicht der Leistung entspricht", sagt Sue Hewitt. Die promovierte Zellbiologin widmet sich seit 15 Jahren der menschlichen Seite des Forschungsbetriebs.

Dabei geht es um Zeitmanagement, die emotionale Komponente von Verhandlungen, aber auch um Selbstvertrauen. Im Workshop "Female Leaders in Science" des Wiener Wissenschaftsfonds (WWTF) wollte sie als Trainerin gemeinsam mit Damjana Kastelic vom Deutschen Krebsforschungszentrum und Yifat Merbl vom Weizmann-Institut für Wissenschaften jene Steine zur Seite schaffen, die sich Wissenschafterinnen oft in den Weg legen.

Minütlich dringt Applaus aus dem Seminarraum in der Wiener Schlickgasse, wo 17 hochrangige Forscherinnen von Wiener Instituten und Universitäten einander im Sesselkreis gegenübersitzen. In drei Tagen Persönlichkeitsarbeit teilen sie ihre Erfahrungen im Wissenschaftsbetrieb. "Die praktischen Beispiele, die wir durchgehen, sind reale Fälle, die uns wirklich brennend am Herzen liegen", sagt Teilnehmerin Martina Marchetti-Deschmann vom Institut für Chemische Technologien und Analytik an der TU Wien.

Professoren am Rednerpult

Warum speziell Frauen die Zielgruppe sind, erklärt ein Blick in die Hochschulstatistik: In den Hörsälen der Uni Wien stellen sie mit einem Anteil von mehr als 60 Prozent bereits die Mehrheit – bei den Studierenden. Am Rednerpult stehen immer noch in drei von vier Fällen männliche Professoren.

Diskriminierung greife aber als Erklärung zu kurz, gibt Hewitt zu bedenken. Neben institutionellen und kulturellen Gründen sind es auch die Frauen selbst, die sich zurückhalten: "Die Art und Weise, wie wir mit anderen Personen kommunizieren, kann etwas bewirken", sagt die Trainerin.

Wissenschafterinnen zwischen Assistenzprofessur und Professur haben in der Regel bereits zahlreiche Trainings durchlaufen. "Aber der Stress im Alltagsleben wird manchmal so hoch, dass man einfache Kommunikationsregeln übersieht", sagt Marchetti-Deschmann. Die Übungen in der Gruppe machen unbewusste Muster deutlich, wie etwa eine unterwürfige Kinderrolle oder eine autoritäre Elternrolle, in die manche in Konfliktsituationen abrutschen. Beide Strategien verhindern ein Gespräch auf Augenhöhe.

Trainerin Hewitt legt in den vornehmlich objektiven Wissenschaften alte Normen und Werte frei, die sich in früher Kindheit festgesetzt haben. Die Frauengruppe macht es ihrer Meinung nach auch einfacher als gemischte Gruppen, über spezifische Ängste zu sprechen und Schwächen zuzugeben.

"Mich hat beeindruckt, dass ich großartige Wissenschafterinnen kennengelernt habe, die Familie und Karriere managen und professionell und selbstbewusst auftreten", sagt Katharina Schröder vom Institut für Angewandte Synthesechemie an der TU Wien." Im Gespräch hat sich dann aber gezeigt, dass wir alle mit den gleichen Problemen kämpfen."

Keine weiblichen Vorbilder

Die heutige Generation der Top-Wissenschafterinnen musste sich die Vereinbarkeit von Beruf und Familie selbst erkämpfen. Die Mikrobiologin Susanne Zeilinger-Migsich vermisste zu Beginn ein weibliches Vorbild. In höheren Positionen standen meist männliche Professoren, die in konservativen Familienkonstellationen nach dem Muster "Der Mann macht Karriere, die Frau arbeitet im Haushalt" lebten.

Marianne Penker arbeitet in einem Umfeld, das noch wenige weibliche Leitbilder bereithält. "Ich fühle mich selbst in der Rolle, dass ich zum Vorbild für junge Wissenschafterinnen werden könnte, und überlege daher umso genauer, wie ich meine Arbeit anlege", sagt die Regionalentwicklerin.

Trainings wie dieses haben ihr eigenes Rezept gegen gläserne Decken: Frauen zu stärken, indem sie sich mit ihren Problemen nicht mehr alleine fühlen. (Marlis Stubenvoll, 8.7.2015)