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Ariana Miyamoto war früher sehr öffentlichkeitsscheu. Jetzt kämpft sie gegen Diskriminierung in Japan.

Foto: REUTERS/Toru Hanai

"Der Nagel, der vorsteht, wird eingeschlagen", lautet ein bekanntes Sprichwort, das für die japanische Tendenz, individuelle Unterschiede in einer sozialen Gruppe einzuebnen, steht. Aber was bedeutet das in Bezug auf Menschen, deren Hautfarbe eine andere als jene der Majorität einer Gesellschaft ist?

Ariana Miyamoto ist die Tochter eines in Japan stationierten afroamerikanischen Matrosen der US-Kriegsmarine und seiner japanischen Frau. In der Schule wird sie wegen ihrer bronzefarbenen Haut gemieden, Mitschülerinnen geben ihr nicht die Hand, weil sie fürchten, die dunkle Haut könnte abfärben. Das setzt ihr zu, und sie versucht, sich möglichst wenig öffentlich zu zeigen.

Als ein Klassenkamerad sich das Leben nimmt, weil er auch ein "Hafu" ist – so die abwertende Bezeichnung für gemischtrassige Menschen in Japan und eine Japanisierung des englischen Wortes "half" –, macht sie eine Kehrtwende. Sie meldet sich bei einem Schönheitswettbewerb an, um auf Rassismus aufmerksam zu machen. Sie gewinnt den Wettbewerb – und wird Miss Japan 2015. 2016 wird sie am weltweiten Wettbewerb um die Miss Universum teilnehmen.

Gemischte Reaktionen

Die Reaktionen auf ihren Sieg in Japan fallen unterschiedlich aus. Miyamoto könne mit ihrem großen Mund keine Repräsentantin Japans sein, hieß es in sozialen Netzwerken, andere bemängelten, sie sei "nicht reinrassig". Aber es gibt auch viele, die an die Wahl Miyamotos die Hoffnung knüpfen, dass die Gesellschaft offener werde.

Hätte das Publikum und nicht eine Jury sie ausgewählt, hätte Miyamoto wahrscheinlich nicht den Titel bekommen. Es gibt Spekulationen, dass hinter der Entscheidung taktische Überlegungen gestanden sein könnten, dass neue Gesichter gefragt seien.

Miyamoto selbst hat eine Mission: Sie bezeichnet sich inzwischen ganz bewusst als Hafu, sagt aber auch, sie fühle sich ganz als Japanerin. In Amerika, wo sie zwei Jahre bei der Familie ihres Vaters gelebt hat, habe sie sich fremd gefühlt. In Interviews spricht sie von einer Revolution, einer Gesellschaft ohne Diskriminierung, auf die sie mit ihrem Erfolg hinarbeiten will. Da ist viel jugendlicher Überschwang mit im Spiel. Aber anders als die meisten Hafus, die als Models und im Fernsehen mit gespielter Kindlichkeit Karriere machen, fällt sie mit ernsthaften Aussagen auf.

Die meisten Hafus verdanken ihren Erfolg ihrer halbkaukasischen, also westlichen Herkunft, weil es im Medienbetrieb – anders als im japanischen Alltag – immer auch eine Bewunderung für Menschen gibt, die sich unterscheiden. Vor allem wenn sie aus westlichen Ländern stammen. Auf Menschen mit dunkler Haut blicken viele Japaner aber herab.

Konsequente Unsichtbarkeit

Deshalb wird Miyamoto bis jetzt von vielen japanischen Medien konsequent übersehen. Dagegen haben große internationale Medien wie CNN, BBC, "Forbes" und "Cosmopolitan" über ihren bemerkenswerten Erfolg bereits ausführlich berichtet.

Japan bräuchte angesichts der Überalterung der Bevölkerung und der auf ein Rekordtief sinkenden Zahl seiner Geburtenrate dringend Wachstum durch Einwanderung. Primär thematisieren ausländische Wissenschafter diese Problematik. Soziologen befürworten die Einwanderung aus demografischen Gründen, Wirtschaftswissenschafter klagen über den Mangel an Arbeitskräften und rufen deshalb nach Einwanderung, und Geriatrieforscher beklagen fehlende Pflegekräfte in der Altenpflege.

Eine gesellschaftliche Diskussion über all das gibt es aber nicht. Unangenehme Dinge, die die soziale Harmonie stören könnten, spricht man in Japan nicht gerne an. Ariana Miyamoto ist da eine Ausnahme. (Siegfried Knittel, 20.7.2015)