Kulturtheorie für alle: Diedrich Diederichsen.

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Von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno stammt der Begriff der Kulturindustrie, den die beiden Philosophen zur kritischen Analyse moderner Massenkultur und Massenkommunikation vorgeschlagen haben. Gemeint ist damit ein "Massenbetrug", denn die Theorie der Kulturindustrie begreift Massenmedien als Instrumente der Manipulation.

Der deutsche Kulturtheoretiker, Kunstwissenschafter und Musikjournalist Diedrich Diederichsen schlägt in einer dreiteiligen Vortragsreihe, die am Dienstag im Salzburger Kunstverein startet, ein Überdenken dieses "klassischen" Kulturindustriebegriffs vor. Die Person als Special Effect lautet der Titel der Referate. Der langjährige Sounds-Redakteur und Spex -Herausgeber geht von folgenden Prämissen aus: Die wichtigsten künstlerischen Formate der Gegenwart sind in den 1960ern entstanden: Performance, Konzeptkunst, Installation und Aktionismus, aber auch Direct Cinema, Heavy Rock, Psychedelik und Minimal Music stammen aus dieser Dekade. Seitdem werde in den neuen künstlerischen und populärkulturellen Entwicklungen versucht, die Effekte technischer Medien wie die Indexikalität von Fotografie und Phonographie live (oder händisch) umzusetzen.

Unter Indexikalität versteht man in der Semiotik den besonderen Bezug fotografischer und filmischer Bilder zur Wirklichkeit – also den kausalen Zusammenhang zwischen Zeichen und Objekt. Während dies im frühen 20. Jahrhundert bei Slapstick oder Surrealismus realisiert worden sei, gehöre das nun zum Alltag von Popmusik oder Cinéma vérité. Diese Künste arbeiten entweder bei aufgezeichneten Studiowerken mit der Gestaltung von Authentizität – oder sie konstruieren eine neue "Liveness" bei Performance, Straßentheater und anderen partizipativen Formen.

Die neuen Paradigmen erfordern jedenfalls laut Diederichsen eine Neuinterpretation des Kulturindustriebegriffs. Wegen der technischen Veränderungen müssten verschiedene Entwicklungsstadien dieser ideologischen Maschine unterschieden werden. Die singuläre, lebendige Person – von Warhols Screen Tests bis zu den Youtube-Stars von heute – wird immer entscheidender. Das, wofür sie steht, immer unwichtiger. (dog, 20.7.2015)