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Der IWF hat in Griechenland nicht nur Freunde.

Foto: APA/EPA/ORESTIS PANAGIOTOU

Zu den großen Rätseln für viele Beobachter bei den Verhandlungen zwischen Griechenland und seinen Gläubigern zählte die Sache mit der Mehrwertsteuer. Eine der Kernforderungen der griechischen Geldgeber war eine saftige Anhebung der Mehrwertsteuersätze in Hellas.

Die Regierung in Athen hat nachgegeben. Zahlreiche Ausnahmen bei der Besteuerung von Waren und Dienstleistungen fallen weg, der Regelsatz von 23 Prozent kommt nun deutlich öfter zur Anwendung. Der Restaurantbesuch wird ebenso teurer wie unzählige Lebensmittel und Alltagswaren. Keine andere Sparmaßnahme soll in den kommenden Jahren so viel Geld in die Staatskassen spülen. Fragt sich nur: Warum sollen in einem Land mit ohnehin schwächelndem Konsum die Warenpreise weiter steigen?

Waren sollen billiger werden

Die Antwort darauf liegt in der Strategie, die von Griechenlands Gläubigern unter Anleitung des Internationalen Währungsfonds (IWF) seit 2010 verfolgt wird. Mit dem Spar- und Reformprogramm sollen mehrere Ziele erreicht werden: Einerseits soll die griechische Staatsverschuldung tragfähiger werden.

Zudem soll die Leistungsbilanz verbessert werden. Griechenland erwirtschaftet mit dem Verkauf seiner Güter nicht genug Kapital um seine Rechnungen im Ausland bezahlen zu können – die Leistungsbilanz des Landes war seit jeher negativ. Außerdem soll die Wirtschaft wettbewerbsfähiger werden, indem Löhne und Preise gedrückt werden. Griechische Waren sollen sich also im Vergleich zu deutschen und österreichischen Produkten verbilligen.

Weniger Flexibilität

Länder mit flexiblen Wechselkursen können ihre Währung abwerten. Das ist der schnellste Weg, um eigene Produkte im Ausland "billiger" zu machen. Zugleich verteuert eine Abwertung Importe von Pkws und Computern. Die Leistungsbilanz eines Landes verbessert sich also rasch.

Weil Griechenland seine Währung nicht abwerten kann, soll der Prozess langsam umgesetzt werden. Diese Strategie nennt sich "internal devaluation", also interne Abwertung. In zahlreichen Ländern mit nicht flexiblen Währungskursen hat der IWF darauf gesetzt: in Portugal, Lettland, aber auch in Spanien und Kroatien (Kuna ist an den Euro gekoppelt).

Trifft den Import

Zu den ersten durchgeführten Maßnahmen zählte in allen diesen Ländern eine starke Erhöhung der Mehrwertsteuer. Die Idee dahinter ist klar: Eine steigende Konsumbesteuerung trifft nicht Exporteure, trifft aber den Import und trägt etwas zur Budgetsanierung bei. Die Strategie der "internal devalualtion" erklärt auch, weshalb sich der IWF bei den Verhandlungen mit Griechenland lange gegen eine höhere Gewinnsteuer für Unternehmen gewehrt hat: Dies schadet Exporteuren.

Schließlich ist in dieser Strategie der Grund zu finden, weshalb IWF und Co versuchen, die Verhandlungsposition von Gewerkschaften zu schwächen. Durch die Einschränkung der Geltung von Kollektivverträgen sollen Lohnabschlüsse moderater ausfallen. Lohnkürzungen im Staatssektor sollen den Druck auf die Löhne im Privatsektor zusätzlich erhöhen.

Zweifelhafter Erfolg

In Griechenland ist der Erfolg der internen Abwertung bisher mehr als zweifelhaft. Die Leistungsbilanz des Landes ist zwar seit 2013 positiv. Doch die Exporte kommen nicht richtig in Gang und haben noch nicht einmal den tiefen Fall 2008/2009 kompensieren können. Stark gefallen sind die Importe. Zudem ist das Programm wegen der vielen Nachbesserungen nicht mehr ganz schlüssig.

Das ist zwar grundsätzlich nicht außergewöhnlich, in keinem Land wurde das Konzept der "internen Abwertung" eins zu eins umgesetzt. Doch erhöht Griechenland aktuell die Besteuerung des Tourismussektors (Inselrabatt bei Mehrwertsteuer fällt). Damit verliert das Land in diesem so wichtigen Bereich an Wettbewerbsfähigkeit.

Wenig Erfolgsbeispiele

Das große Problem mit der Strategie ist freilich, dass es international "wenige Erfolgsbeispiele" gibt. Länder, die eine interne Abwertung durchmachen, können bestenfalls mit einer langen, milderen Rezession rechnen, schlimmstenfalls mit einem "tiefen ökonomischen Kollaps, mit verheerender Arbeitslosigkeit". Die Strategie ist also nicht wirklich erprobt. Wer das behauptet? Der IWF. 2012 veröffentlichte der Fonds eine kritische Analyse anhand historischer Beispiele (darunter Hongkong, Argentinien, Niederlande).

Wenn eine interne Abwertung funktioniert hat, dann nur, wenn bestimmte Kriterien erfüllt sind, heißt es in dem Papier. Der IWF nennt neben einer niedrigen Verschuldung einen flexiblen Arbeitsmarkt und breite politische Unterstützung. Dies würden auch zwei jüngere Erfolgsbeispiele der IWF-Strategie belegen: Lettland und Portugal. In beiden Ländern ist der Exportsektor nach Beginn der Reformen deutlich in Schwung gekommen – freilich ist auch die Arbeitslosigkeit in diesen Staaten explodiert. (András Szigetvari, 21.7.2015)