Um ihre Familie zu unterstützen, muss sich Ei Phyu in Burmas Großstadt Yangun prostituieren. Das ist illegal, die Polizei verlangt bei Kontrollen Geld und Sex – nur um sie dann trotzdem mitzunehmen.

Foto: Kristin Oeing

Zwei Männer schreien düstere Worte über die Straße. Besudelte Leibchen schlabbern um ihre knöchrige Brust. Der eine torkelt, während sich sein Kumpan breitbeinig an den Rand des abbröckelnden Bordsteins stellt. "Was wollt ihr hier? Ihr habt hier nichts zu suchen! Fahrt weiter!" Die Straßen der burmesischen Großstadt Yangun , die einem im Licht der Sonne golden zulächeln, sind den Schatten der Nacht gewichen. Plötzlich hält ein weißer Transporter an, eine Frau spricht mit den Insassen, nickt und steigt ein.

Die Kreuzung im Tharketa Township kennt Ei Phyu (29) gut. Viele Abende hat die junge Witwe auf den zerbrochenen Gehwegplatten der Kreuzung gestanden und im Gestank der Abgase auf Kunden gewartet. Seit zwei Jahren arbeitet sie als Sexarbeiterin. An ihren ersten Freier kann sie sich gut erinnern, "nach dem Sex zahlte er nicht, rannte einfach weg".

Einige Tage später sollte sie zusammen mit ihrer Cousine auf ein Boot kommen, zwei Männer würden dort auf sie warten, sagte man den Frauen. "Doch plötzlich standen acht Männer vor uns, wir hatten keine Chance zu fliehen. Am nächsten Morgen warfen sie uns einfach über Bord."

Prostitution illegal

Ei Phyu trägt einen Wickelrock, ihre Wangen ziert die traditionelle Thanaka-Paste. Niemand soll sehen, womit sie ihr Geld verdient. Denn Prostitution ist in Burma verboten. Wer erwischt wird, landet schnell hinter Gittern. Ei Phyu erinnert sich an eine Nacht, in der sie drei Polizisten ansprachen. "Ich bin ein netter Mensch", sagt einer von ihnen, "ich werde dich nicht ins Gefängnis stecken."

Die Männer wollten Geld von ihr, 25.000 Kyat, umgerechnet gut 20 Euro. Sie musste zahlen, weil sie eine Familie hat, die auf ihr Einkommen angewiesen ist, und zwei Kinder, die noch zu klein sind, um ohne ihre Mutter zu sein. Doch mit dem Geld allein gaben sich die Männer nicht zufrieden. "Sie wollten Sex, alle drei." Die junge Frau gab ihnen, was sie verlangten. Die Männer nahmen sie trotzdem mit zur Wache.

Verfolgte Gruppe

Thu Zar Win kennt diese Rechtsbrüche zur Genüge. Die Care-Mitarbeiterin koordiniert das im Jahr 2011 gegründete SWIM-Projekt in Yangun, das Prostituierte landesweit unterstützt. In Burma zählen sie neben Transsexuellen und Drogenabhängigen zu der am meisten verfolgten Gruppe. "Die Polizei hat Quoten, die sie erfüllen müssen", sagt Thu Zar Win. Als Beweis reiche oft schon ein Kondom.

"Das Verbot der Prostitution und die dadurch fehlende Aufklärung ist eine gefährliche Kombination", mahnt Thu Zar Win. Die Illegalität drängt die Frauen in schmuddelige Hinterhöfe und die illegalen Hinterzimmer der KTV-Bars, so werden sie für Hilfsorganisationen unerreichbar. HIV ist zum Problem geworden. Burma hat nach Thailand und Kambodscha die dritthöchste HIV-Rate in Asien, 2012 galt fast jede fünfte Sexarbeiterin als HIV- positiv.

Hoffen auf Veränderung

Seit vier Jahren versucht SWIM die Position der Prostituierten zu stärken. Unterstützung erfährt die Initiative von der National League for Democracy mit der berühmten Parteivorsitzenden Aung San Suu Kyi. Im November sind Wahlen, sollte die NLD gewinnen, könnte sich die Situation ändern – auch in Mandalay, der zweitgrößte Stadt des Landes.

In den Außenbezirken, dort wo die Straßen zu Schotterpisten werden und zwielichtige Gestalten vor den Toren rumlungern, wohnt Mi, 24. Auch Mis Leben ist früh aus der Bahn geraten. "Wir waren arm", sagt Mi und knetet sich die Hände, "sehr arm." In einem Streit mit einer Kollegin verletzte sie diese mit einem Messer. "Sie war verrückt", sagt die junge Frau. Während ihrer zweijährigen Haft lernte Mi Sexarbeiterinnen kennen.

"Als man mich entließ, wusste ich nicht, wohin, also meldete ich mich unter einer der Nummern, die ich von den Frauen bekommen hatte." Der Mann am anderen Ende der Leitung war entzückt, Mi war noch Jungfrau.

Verdienst 1,60 Euro

Seitdem arbeitet Mi sieben Tage die Woche, von sieben Uhr morgens bis Mitternacht. Sieben Freier muss sie am Tag mindestens bedienen, "an Feiertagen kommen auch schon mal siebzig". Eine schnelle Nummer kostet 8000 Kyat, 2000 darf sie sich behalten, umgerechnet etwa 1,60 Euro. Auch die Polizei bekommt regelmäßig ihren Anteil. Große Sorgen bereiten ihr die vielen gewalttätigen Freier. "Der Alkohol macht die Männer aggressiv, sie verlieren ihre Hemmungen, respektieren mich nicht mehr."

Mis Traum ist es, irgendwann als "Mama" einen eigenen Puff zu führen, "dann müsste ich keinen Sex mehr haben". Auch eine Familie wünscht sie sich, "aber das wird ein Traum bleiben". Unwirsch wischt sie sich eine Träne weg, "kein Mann heiratet eine Hure". (Kristin Oeing, 1.8.2015)