Salzburg – Rund 60 VertreterInnen der jüdischen Schwulen-, Lesben-, Bisexuellen- und Transgender-Gemeinschaft (LGBT) aus aller Welt haben vergangene Woche im Schloss Leopoldskron in Salzburg das globale Netzwerk "Eighteen:22" gegründet. Die Plattform soll als weltweite Bewegung die Rechte jüdischer Homosexueller stärken, die Gleichstellung vorantreiben und Diskriminierung bekämpfen.

"Wir wollen voneinander lernen, um auf die neuen Herausforderungen zu reagieren", sagte Netzwerk-Initiator Robert J. Saferstein am Donnerstag. "Wir haben in den vergangenen Jahren zum einen ziemliche Fortschritte gemacht, sogar in orthodoxen, strenggläubigen Kreisen. Es gibt mehr Toleranz, auch mehr Dialog, als das noch vor fünf Jahren der Fall war", berichtet der 32-jährige New Yorker.

Schwule Prediger

So sei es seit bald zehn Jahren auch schwulen Rabbis erlaubt, zu predigen. In den USA sprechen sich prominente Rabbis vermehrt gegen Therapien aus, die darauf abzielen, Homosexualität als Krankheit zu heilen. Schwule und Lesben würden mittlerweile auch nicht mehr so oft aus der religiösen Gemeinschaft ausgeschlossen werden, ihre Eltern weniger ausgegrenzt werden. "Das ging mitunter bis zum Selbstmord. Heute steht man nicht mehr zwingend vor der Wahl, entweder praktizierender Jude zu sein, oder eben schwul."

Trotzdem sei noch viel zu tun, was Akzeptanz und Eingliederung in die Gesellschaft betrifft. "Intoleranz, Diskriminierung und Gewalt wird noch an zu vielen Orten in der ganzen Welt akzeptiert." Ausdrücklich nahm Saferstein dabei auf die Ermordung von Shira Banki Ende Juli 2015 Bezug – jenes 16-jährigen Mädchens, das von einem ultraorthodoxen Juden bei einer Homosexuellen-Parade in Jerusalem erstochen wurde. "Der Attentäter war nicht verrückt, wie manche sagen. Er hat nicht irrational, sondern aufgrund jener Lehren gehandelt, die ihm in seiner Gemeinschaft jahrelang vermittelt wurden. Die ganze Gemeinschaft ist damit für das Attentat verantwortlich."

Sexuelle Vorschriften aus der Bibel

Der 32-Jährige sieht es als positive Entwicklung an, dass viele Rabbis aus aller Welt die Gewalttat verurteilt haben. "Das war beispiellos. Die Attacke könnte jetzt den Wandel weiter vorantreiben, aber es ist traurig, dass dafür so etwas Tragisches passieren musste", meinte Saferstein. Besonders die israelische Gesellschaft sei komplex, die Spannungen zwischen strenggläubigen und säkularen Elementen hoch. "Tel Aviv gilt etwa als eine der LGBT-freundlichsten Städte der Welt. Jerusalem ist der komplette Gegenpol."

Der "Eighteen:22"-Gründer zog im Interview auch Parallelen zum Christentum. "Jeder, der die Bibel wörtlich nimmt, hat nicht viel Platz zu Interpretation, egal ob jemand jüdisch, protestantisch oder katholisch ist. Das macht es für religiöse Menschen so schwer, sich zu outen, oder für Familien, das Outing eines Kindes zu akzeptieren." Auch im Sinne von Vorbildern und Identifikationsfiguren sei darum eine weltweite Plattform wichtig. "Es braucht Sichtbarkeit. LGBT-Personen müssen als normale Menschen gezeigt werden, nicht als Karikaturen oder Feindbilder."

Der Name "Eighteen:22" bezieht sich übrigens auf einen Bibel-Vers im dritten Buch Mose, das sexuelle Vorschriften aufstellt. Im 18. Kapitel heißt es in Vers 22: "Du darfst nicht mit einem Mann schlafen, wie man mit einer Frau schläft, das wäre ein Gräuel." Man habe den Namen aus Trotz gewählt, so Saferstein, weil die Bibelstelle seit Jahrhunderten gegen die LGBT-Gemeinschaft verwendet werde. (APA, 18.7.2015)