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Es gibt unterschiedliche gesellschaftliche Faktoren, die ausschlaggebend dafür sind, (keine) Kinder zu bekommen.

Foto: APA / dpa / Patrick Seeger

Seit im "10 nach 8"-Blog auf "Zeit"-Online ein Text von mir erschienen ist, der ursprünglich den Titel "Warum ich keine Kinder habe" hatte, habe ich auf den unterschiedlichsten Kanälen, im Internet, via Mails und Face-to-Face weiter über das Thema diskutiert und entwickle gerade eine Wellentheorie in Bezug auf Mutterschaftsdiskurse. Denn je nach Alter der Frauen, die auf meinen Text reagiert haben, glaube ich eine unterschiedliche symbolische Einbettung der Frage "Will ich Kinder haben?" in ein gesellschaftliches Narrativ zu erkennen.

Meine eigene Generation – Mitte der 1960er geboren, also vor allem zwischen 1990 und 2000 mit der Frage des Kinderhabens konfrontiert – war dabei von den Narrativen geprägt, die ich in dem Artikel schildere: Muttersein und ambitioniertes (Berufs-)leben schließen sich gegenseitig aus, dafür gibt es keine ausreichende Infrastruktur. Väter fühlen sich nicht zuständig. Familien sind nur im klassisch heteronormativen Sinne denkbar, alle Frauen, die das nicht wollen, müssen bitte kinderlos bleiben. Gleiches predigte auch der damalige Feminismus, jedenfalls der bekanntere à la "Emma" und Simone de Beauvoir. Viele dieser Frauen haben, so wie ich, keine Kinder bekommen.

Beruf und Familie

Die nächste "Welle" der Mitte der 1970er Geborenen, die zwischen 2000 und 2010 entscheiden mussten, ob sie Kinder haben wollen, hatte schon ein neues Narrativ zur Verfügung, nämlich das der "Vereinbarkeit von Beruf und Familie". Sie hatten teilweise schon selbst feministische Mütter, die aus der klassischen Ehefrauen-Rolle ausgebrochen waren, oder sie hatten in Medien und im realen Leben schon eine ganze Reihe von Vorbildern für neue Formen der Mutterschaft kennengelernt.

Die Gleichstellungspolitik hatte bereits Erfolge verzeichnet, es gab mehr Infrastruktur für Kinderbetreuung und eine hoffnungsvolle Grundstimmung, dass beides möglich ist. Väter würden sich zur Hälfte an der anfallenden Arbeit beteiligen, das ginge schon. Viele dieser Frauen waren dann überrascht, dass sie es mit Kindern doch schwerer hatten als gedacht.

Probleme mit der "Vereinbarkeit"

Die dann folgende Welle, die heute noch anhält, betrifft die Mitte der 1980er Geborenen, die also erst seit etwa 2010 über die Frage des Kinderhabens nachdenken. Sie sind heute mit einem Narrativ konfrontiert, das die Sache mit der "Vereinbarkeit" deutlich verhaltener sieht. Es wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Bücher darüber geschrieben, dass das alles doch nicht so easy-peasy geht, statt der Hoffnungen auf "Vereinbarkeit" sind die Probleme und uneingelösten Versprechungen Thema.

Ihre Mütter sind oft selbst zwischen Berufsarbeit und Familienarbeit zerrissen, hatten wenig Zeit. Vielleicht kein Wunder, dass manche dieser Frauen wieder von alten Hausfrauenzeiten träumen, in denen sich Mütter ganz auf das Basteln von Schultüten konzentrieren konnten, statt ins Büro hetzen zu müssen. Manchmal scheint es deshalb so, als wäre seit 1990 gar nichts vorangegangen und als würden Frauen heute wieder vor denselben Hürden stehen, wie wir damals in den 1980ern.

Care Revolution statt Reförmchen

Aber keine Sorge, es ist vorangegangen. Dass es eine gute öffentliche Infrastruktur für Kindererziehung braucht, wird nicht mehr infrage gestellt – das war in den 1980ern in Westdeutschland noch ganz anders –, andere Familienformen als die Vater-Mutter-Kind-Familie sind öffentlich sichtbar, und dass Frauen berufstätig sein sollen, wird nicht mehr ernsthaft bezweifelt. Und auch mehr Väter als früher fühlen sich für die Kinderversorgung und die "Vereinbarkeit" zuständig. Das alles wird auch nicht mehr zurückgedreht.

Es stellt sich halt nur heraus, dass das nicht so einfach zu realisieren ist und wir wahrscheinlich doch eher eine Care Revolution brauchen als hier und da ein paar kleine Reförmchen. Aber auch das realistischere Erkennen einer Situation ist ein Fortschritt. Und dieser Realismus bedeutet ja nicht, die besser gewordenen Gelegenheiten zu ergreifen, wo immer sie sich bieten. (Antje Schrupp, 28.8.2015)