aus D.E.B.S.
Foto: Identities
dieStandard.at: Wie ist die Idee zum "Queer Film Festival" entstanden?

Barbara Reumüller: Das war 1992/93, als ich einen Hochschullehrgang für Kulturmanagement begann und als praktischer Teil der Abschlussprüfung ein Projekt realisiert werden sollte/musste. Die Idee war, diesen Kursteil dann gleich zur konkreten Festivalplanung und –gründung zu machen und so endlich die vielen tollen Queer Films, die ich auf Festivals sah, auch in der 'Kulturstadt Wien' ins Kino zu bringen. Die Donaustadt war zu dieser Zeit - dem Höhepunkt des New Queer Cinema weltweit - eine der wenigen europäischen Großstädte ohne ein Queer Film Festival. Und wenn schon, dann am besten mit einem internationalen, professionellen Ansatz.

dieStandard.at: Das Festival war ja ein voller Erfolg ...

Reumüller: identities wächst seit Jahren enorm und gleichzeitig organisch, der Bedarf ist offensichtlich da, und es ist auf vielen Ebenen erfolgreich, aber die Finanzierung ist jedesmal wieder eine Wackelpartie.

Die Begründung lautet immer: Kein Geld. Bei Betrachtung des Kulturetats der Stadt und auch des Bundes kann's das aber nicht wirklich sein. Heuer kam die Zusage der Stadt Wien – trotz des vom Kulturamt anerkannten Erfolgs des Festivals anno 2003 – noch später als sonst, konkret Anfang Dezember. Und Zeit spielt beim Festivalmachen eine ganz erhebliche Rolle. Internationale Filme muss man früh fixieren, MitarbeiterInnen können auch nicht ewig ihren Jahresplan freihalten, eine Infrastruktur braucht Zeit, die muss dann innerhalb kurzer Zeit von null auf voll da sein, Festivalbüro einrichten, etc. und der unfreiwillig entstandene Rückstand muss unter viel Streß und Zusatzkosten aufgeholt werden. Es ginge auch anders. Aber schön ist, dass wir die meisten selbstgesetzten und einfach entstandenen Herausforderungen und Ideen trotzdem geschafft haben – das dritte Kino, das erweiterte Filmprogramm, das neue Programmheft, mehr Gäste wollte ich einfach nicht aufgeben.

dieStandard.at: Was ist für Sie das Spannendste an der Organisation, Filmauswahl, Vorbereitung, Durchführung?

Reumüller: Hinsichtlich Organisation: Das Festival ständig weiterzuentwickeln, es lebendig und gleichzeitig stabil und verlässlich zu halten, Professionalität mit gutem Blick auf die Kostenentwicklung zu erreichen, als Organisation zu wachsen, ohne zum Tanker zu werden. Das gilt auch für die Vorbereitung und Durchführung: Abläufe und Details zu verbessern, Feedback und Kritik im machbaren Rahmen einzuarbeiten, und dann idealerweise an jedem Festivaltag zu erleben, dass wir identities für ein so was von tolles Publikum machen, dass es wohl wirklich wichtig ist, dass es das Festival gibt und unwahrscheinlich viele Menschen uns das immer wieder auch wissen lassen.

identities lebt und existiert für sein Publikum, den lustvollen Austausch im Kino, und ich denke, das kommt an und zurück. Und bei der Filmauswahl ist es eine Kombination aus Filmentdeckungen und Glückmomenten - von ganz klein, bis ganz groß – bei Festivals, ganz einsamen Sichtungen in dunklen Kammerln, und dem Finden und Herstellen von Que(e)rverbindungen im Programm, das Stöbern im jahrelang wohlgehegten Material- und Kassettenarchiv, wenn sich gewisse Themen oder Spezialprogramme andeuten. Die Filme dann auch wirklich zu bekommen, Rechte und Filmkopien monatelang zu suchen und dann endlich zu finden, das ist Festivalmachen pur.

Persönliche Highlights gibt's viele, allen voran, dass das Festival wieder stattgefunden hat. Und die Atmosphäre im Kino, die bei den Events etwas von einem pulsierendem Großstadt-Flair hatte, Street Life in seiner schönsten Essenz mit Diskutieren, Flanieren, Genießen bis in den frühen Morgen, ganz entspannt, ganz öffentlich.

dieStandard.at: Wie sehen Sie die Entwicklung des Queer Films?

Reumüller: Na ja, den 'Queer Film' gibt's ja nicht. Sondern eher Queer Films im Plural, europäischer, amerikanischer, asiatischer Prägung. Ich mach lieber keine große Vorhersage, weil dann oft schon genau das Gegenteil eingetreten ist – wie die erwartete große Welle von queeren Regisseurinnen in der Filmproduktion nach Go Fish. Aber in Europa ist definitiv mehr im Sinne der ursprünglichen Queer-Definition von B. Ruby Rich los. Genrezitate, queere Aneignung von Themen und Genres, queere Komödien, queerer Familienfilm, Crowdpleasers, Thrillers, Dramen aus Spanien, Finnland, Deutschland, Großbritannien. Sehr spannend und vielversprechend.

dieStandard.at: Sehen Sie in Filmen eine Verschiebung/Veränderung weiblicher Geschlechterrollenstereotype?

Reumüller: Ja, deutlich. Das vermitteln die Charaktere und Themen der aktuellen Filme ganz intensiv. Und das sehen wir auch an unserem Publikum wieder, es ist mehr möglich, die Bandbreite des Denk- und Lebbaren in der Öffentlichkeit ist selbstverständlicher und größer. Und auch die selbstbewusste Geltendmachung der eigenen Individualität und Rechte. Was nicht heißt, dass Coming Outs, Familienzores, Probleme mit der Gesellschaft und Umwelt Schnee von gestern sind.

dieStandard.at: Der für Sie schönste/anregendste ... Film?

Reumüller: Die Unfrage an FestivalmacherInnen. Natürlich hab ich persönliche Favoriten, aber die behalte ich gerne für mich. Obwohl Coup de Foudre endlich wieder auf Leinwand zeigen zu können und selbst zu sehen bzw. nach den Irrwegen und Absagen dann das OK für De-Lovely direkt aus Amerika von MGM doch noch hinzukriegen, das war schon sehr schön. Und die historischen (Wieder-)Entdeckungen von Norwegen bis zur ehemaligen DDR waren heuer auch außergewöhnlich.

dieStandard.at: Welche Pläne gibt es für die Zukunft?

Reumüller: Wir werden als logische Konsequenz des Festivalmachens und der zunehmenden Nachfrage von vielen anderen Kinos nach den bei identities 2005 gezeigten Filmen und den Angeboten zur Zusammenarbeit und den Bitten um Programmtipps ab Herbst einen Kinoverleih – identities distribution – starten. Es ist eine Herausforderung, und der Ausgang des neuen Projekts ist ungewiss, aber 'Challenge Is Our Middlename', um es mal salopp amerikanisch zu sagen. Das Echo auf unsere Pläne ist jedenfalls ermutigend. An unserem ersten Wunschfilm sind wir schon dran: Katzenball von Veronika Minder und The Nomi Song reizt uns auch sehr. Mal sehen, was leistbar ist. Durchhaltevermögen und Erfahrung mit scheinbar unüberwindbaren Hürden haben wir ja. Am besten regelmäßig auf Identities oder dieStandard.at vorbeischauen, dort sind Neuigkeiten ganz sicher demnächst zu erfahren.