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Diskurse um den Zwang schön - weiblich - perfekt zu sein.

Schon in der ersten Frauenbewegung der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und dann verstärkt in der Neuen Frauenbewegung ab den 70er-Jahren richtet/e sich ein wesentlicher Fokus an die Enteignung und patriarchale Aneignung des weiblichen Körpers. Das Weiblichkeitsideal, das in erster Linie auf die bürgerliche Frau zielt/e - "schön", schwach, geschnürt, deformiert - wurde als eines für Repräsentationszwecke des männlichen Besitzers analysiert und in der Folge abgewehrt. Besitz gepaart mit Wohlwollen des Aneigners - denn was einem gehört, soll einem gefallen, auf dass man "es" gern benützen tut, wenn man schon in "es" investiert, eine Kosten-Nutzen-Rechnung also? - wurde entlarvt.

Widersprüche

Die Erste Frauenbewegung, welche an der Erringung der Reformkleidung, des Frauensports und der Freikörperkultur beteiligt war, machte zudem auf den haarsträubenden Widerspruch zwischen der physisch schweren Arbeit der Fabriksarbeiterinnen und Bäuerinnen und dem Verbot des Frauenstudiums aufgrund der angeblichen "weiblichen Schwäche" aufmerksam. Ein wesentlicher Punkt betraf auch die Forderung nach freier Sexualität, in der das Selbstbestimmungsrecht über Schwangerschaft, Geburt und Abtreibung inkludiert war.

Denn schon lange vor dem Hitler-Faschismus wurde die Ausbeutung des weiblichen Körpers für bevölkerungspolitische, militaristische, imperialistische und rassistische Zwecke - Gebärzwang für "arische" Frauen versus Zwangssterilisation, Abtreibungsgebot und Vernichtung für und von Jüdinnen und andere politisch unerwünschte Frauen - als ein dem patriarchalen Staatswesen immanentes und grundlegendes Gesetz erkannt.

Die Neue Frauenbewegung nahm sich dann der Analyse von vier - hier nur verkürzt dargestellten und auf den Punkt gebrachten - Zwängen an:

Zwang I: Mutterschaft

Schwangerschaft, Geburt und Abtreibung unterliegen dem staatlichen bevölkerungspolitischen Zugriff und Übergriff durch Kontrolle, Zwangsmutterschaft und Kriminalisierung. Die Gen- und Reproduktionstechnologie muss sich den Vorwurf gefallen lassen, an der weiteren Enteignung des Frauenkörpers beteiligt zu sein.

Zwang II: Sexualobjekt

Die Vermarktung des Frauenkörpers durch die männlich-dominierte Sexualität und seine konsum-profitorientierte Vermarktung in Werbung, Medien, Pornografie und Prostitution hat verheerende Folgen für Frauen.

Zwang III: Schönheitsobjekt

Die männlich geprägten und überspannten Schönheitsideale mit unerreichbaren Körperformen steigern sich vehement. Obwohl die dargestellten Frauen zum überwiegenden Teil retouschiert sind - Beine zu einem Drittel verlängert, Busen und Po gerundet - suggerieren sie Realität, die von vielen Mädchen und Frauen nachahmenswert erscheint. Esstörungen und Schönheitsoperationen sind die Folge.

Zwang IV: Krankheit Frau

In Theorie und Praxis der Gynäkologie und des gesamten Gesundheitswesens werden Frauen nach männlichen Kriterien behandelt. Menstruation, Schwangerschaft, Geburt und Wechsel werden nach wie vor als Krankheiten gesehen. Auch hier ist Unterdrückung der Frau Profit der Pharmaindustrie wichtiger als das Wohl des Frauenkörpers. (dabu)