Bei der Präsentation ihrer Herbst-Winter 08/09 "ready-to-wear collection" am 25. Februar 2008 in Paris.
Brinon

Bild nicht mehr verfügbar.

Vivienne Westwood ist 67!
foto: Reuters/JACKY NAEGELEN

"Mode hat immer etwas mit Sex zu tun". Dass Vivienne Westwood diese - ihre berühmteste - Aussage Ernst nimmt, zeigt die Modeschöpferin bis heute an der konsequenten Umsetzung ihrer Entwürfe. Hochgeschnürter Busen, betonte Hüften und Po ("Cul de Paris") sowie Schwindel erregende High-Heels prägen den Stil, den frau/man gemeinhin mit Vivienne Westwood verbindet. Doch das umreißt lediglich eine vergleichsweise oberflächliche Anschauung der ungemeinen Vielfalt und des sowohl soziologisch als auch modehistorischen Tiefgangs ihrer Kollektionen.

Unorthodox, unverwechselbar und deshalb extrem umstritten. Bei Vivienne Westood scheiden sich die Modegeister wie bei keiner/keinem anderen. Wenn sie postuliert "Nichts ist altmodischer als der Zeitgeist", provoziert sie damit die von ihr als "schrecklich" kritisierte "schlampige Mittelmäßigkeit", die allzu oft anzutreffen ist. GegnerInnen nennen sie "shocking", AnhängerInnen lieben ihre Schrill- und Schrägheit, ihre geniale Gegenwartskritik und ihren fantasievollen Mut, der weitaus mehr darstellt als bloße Provokation.

Sie begann als Lehrerin

Dabei hat die Aufsehen erregende Karriere der Westwood ganz harmlos, beinahe trostlos, begonnen. Geboren am 8. April 1941 in Tintwistle, einem Dorf in der Nähe von Manchester, wuchs Vivienne Isabel Swire in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Die Familie - die Mutter Weberin, der Vater Schuhmacher - zog 1958 nach Harrow nahe London, wo Vivienne ein Semester lang Mode- und Silberschmiedekunst an der Art School belegte. Als Kind von ArbeiterInnen konnte sie sich eine Zukunft als Modedesignerin nicht vorstellen und machte daher eine LehrerInnen-Ausbildung. Sie unterrichte ab 1961 an einer Volksschule im Norden Londons, wo sie ihren ersten Ehemann, Derek Westwood, kennenlernte. Ein Jahr später heiratete sie den Werkzeugmacher, bekam ihren Sohn Benjamin Arthur und ließ sich nach drei Ehejahren wieder scheiden.

Bald darauf verliebte sich Vivienne Westwood in Malcolm McLaren, den Manager der Sex Pistols, der ihr durch seinen ungewöhnlichen Kleidungsstil aufgefallen war. Ihr zweiter Sohn Joseph Ferdinand Corré wurde geboren und relativ gleichzeitig die Wurzeln für ihre Designkarriere gelegt. Als Mutter zweier Söhne begann sie eigene Kleidung zu schneidern. Um den Schnittmustern auf den Grund zu gehen, zerlegte sie Gewänder, die ihr gefielen und nähte sie dann wieder zusammen. Aus dieser Tätigkeit entwickelte sich die Idee, einen eigenen Shop zu gründen. "Let it rock at Paradise Garage" hieß die Boutique, die sie gemeinsam mit McLaren führte. Mode der 50er-Jahre, im Speziellen Teddyboy-Anzüge, wurde angeboten. 1973 wurde das Geschäft in "Too fast to live, too young to die" mit Rockerkleidung umbenannt, ein Jahr später in "Sex". Jetzt gab es Fetischartikel, Lack, Leder und Latex. Die Kleidung für diese Läden wurden von Vivienne Westwood selbst entworfen und genäht.

Anleihen aus der Kostümgeschichte

Ihre erste Kollektion für den Laufsteg entwarf sie 1981. Mit der "Piraten-Linie" wurde sie in die Welt der internationalen ModeschöpferInnen aufgenommen. 1982 war mit dem "Buffalo-Look" erstmals eine Westwood-Kollektion in Paris zu sehen, die ihr standing ovations einbrachte. Als 1984, dem Jahr ihrer Trennung von McLaren, der sogenannte "Power-Look" kulminierte, schockierte Vivienne Westwood mit ihren oppotunistischen "Mini-Crini"-Modellen, die eine extrem weibliche Silhoutte zeigten: Auspolsterungen an Brust, Hüften und Gesäß. 1987 machte sie das Mieder wieder salonfähig und 1984 stellte sie in ihrer Kollektion "Erotic Zones" den "Cul de Paris" in den Mittelpunkt: ein Abendkleid, bei dem der Steiß aus gebauschtem Stoff nach oben verlagert und der eigentliche Cul blank gezeigt wurde.

Da die Männer, so Westwood, in der Vergangenheit wesentlich mehr Möglichkeiten gehabt haben, sich durch Kleidung auszudrücken, nahm sie sich ab den 90er-Jahren auch der Männermode an und zeigte ihre erste Herren-Kollektion 1990 in Florenz. Höfische Gewänder vergangener Jahrhunderte - pfauengleiche stattliche Mannsbilder und Pagen in Pumphöschen - waren ihr Vorbild. Auch die "Martyr of Love"-Linie aus dem Jahr 1996 fuhr mit fantasievollen Jacken, mit Perlen und Pailletten bestickt,auf.

Auszeichnungen und Professuren

Heute zählt Vivienne Westwood zur Creme de la creme der ModedesignerInnen. Bereit zweimal, 1990 und 1991, wurde sie zur britischen Modeschöpferin des Jahres gewählt, 1992 von Königin Elisabeth II. mit dem Titel "Officer of the British Empire" bedacht und zum Ehrenmitglied des Royal College of Art ernannt.

Ende der 80er-Jahre wurde sie zur Gastprofessorin berufen, zunächst für drei Jahre an die Hochschule für Angewandte Kunst in Wien, wo sie ihren zweiten Ehemann Andreas Kronthaler, kennenlernte, und 1993 an die Hochschule der Künste in Berlin.

Inzwischen besitzt Vivienne Westwood Verkaufsstätten in London, Paris und Tokio, vertreibt ein eigenes Schottenmuster namens "Mac Andreas" und ist mit Bademoden, Brillen, Sonnenbrillen und den Parfümmarken "Boudoir" und "Libertine" sowie einer Körperpflegeserie "Les Coquetteries" auf dem Markt. (dabu/dieStandard.at 08.04.2008)