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Gerechte Sprach- und Schriftformen: Der einen Freud, der anderen Leid...
Foto: APA/dpa/Steffen Kugler
Vor kurzem erreichte uns ein Leserbrief mit dem Betreff "die gute und die schlechte Nachricht" eines gewissen Andreas Bretschneider. Er schreibt:

Sehr geehrte Damen und Herren,

die gute Nachricht lautet, daß Sie im deutschsprachigen Raum wahrscheinlich die besten Computerseiten nach Heise Online betreiben.

Die schlechte Nachricht ist, daß Sie sich täglicher Sprachverhunzung und der Schaffung von sprachlichen Monstern wie "AnwenderInnenfreundliche Virtualisierung für Linux" (in der Onlineausgabe von heute) schuldig machen.

Sicher sind Sie sich bewußt, daß das auch von der neuen deutschen Rechtsprechung nicht gedeckt ist, sprachlich aufgeblasen wirkt, Texte weniger leserlich macht, nach bemühter politischer Korrektheit riecht und nicht selten an Realsatire grenzt.

Der deutsche Vorreiter solchen Unsinns, die TAZ, hat das wohl längst aufgegeben und mit der irgendwann einmal publizierten Rubrik "LeserInnenbriefInnen" die nötige ironische Distanz bewiesen.

Auch Sie sollten irgendwann die 80er Jahre hinter sich lassen, in der Gegenwart ankommen und Ihren Webredakteuren erklären, wie man es vermeidet, sich täglich aufs neue lächerlich zu machen.

Die Computerseite hätte es verdient. Und ganz unter uns: Computerseiten werden eh nur von richtigen Männern gelesen. Und denen kann man damit nun wirklich nicht imponieren.

Mit freundlichen Grüßen und in der Annahme, damit gar nichts zu bewirken, es aber loswerden zu müssen

Andreas Bretschneider

Das gute und das Schlechte daran

Zuallererst freut es uns für die Kollegen vom "Webstandard", dass ihre Arbeit als das gesehen wird, was sie ist, nämlich großartig - wenn gleich diese Anerkennung den Wermutstropfen der Zweitreihung nach heise.de beinhaltet. Weniger erfreut sind wir naturgemäß über die Rüge an politisch korrekter Schriftsprache, die unseres Erachtens sogar im eigenen Medium des Standard.at nach wie vor unzureichend realisiert wird. Das Gute daran, um an die Bretschneider'sche Positiv-Negativ-Bewertung anzuschließen, betrifft den Lacherfolg, den er damit ausgelöst hat und für den wir ihm an dieser Stelle danken wollen. Herr Bretschneider, Sie haben also doch etwas bewirkt!

Das Amusement in diesem Fall richtet sich an die Umkehrung in der Bewertung: was Herrn Bretschneider emotional erregt - und diese Aufregung wird anhand der Fülle negativer Termini wie "Sprachverhunzung", "sprachliche Monster", "schuldig machen", "sprachlich aufgeblasen" etc. nahezu plastisch, erfüllt uns dagegen mit Genugtuung, mehr noch mit Freude. Denn zum einen nehmen wir löblich zur Kenntnis, dass sogar einige von Männern gemachte Computerseiten, die laut Bretschneiders Meinung "eh nur von richtigen Männern gelesen" werden, sprachlich geschlechtergerecht verfasst werden, und zum anderen richtet sich die von unserem User geäußerte Kritik der "Realsatire", die nach "bemühter politischer Korrektheit riecht" postwendend an ihn selbst.

Und wenn Andreas Bretschneider meint, die Redakteure des Webstandard sollten "die 80er-Jahre hinter sich lassen" und "in der Gegenwart ankommen", so fragen wir: Herr Bretschneider, in welchem Jahrhundert leben Sie? Denn das, was Sie in dem netten Briefchen von sich geben, erinnert schwer an das 19. Jahrhundert. Damals gab es zwar noch keine Computer, aber die Männer durften sich noch unwidersprochen als "richtige Männer" behaupten und politisch korrekt - anscheinend ist das für Sie ein Schimpfwort - mussten sie sich zu einer Zeit, als die Demokratie noch weit entfernt war, auch nicht gebärden. (dabu)