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Marie Langer
(1910 - 1987)
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Spätestens seit dem Erscheinen ihres Hauptwerks "Mutterschaft & Sexus. Körper und Psyche der Frau" zählt die Wiener Psychoanalytikerin Marie Langer zu den wichtigsten KritikerInnen der Freudschen Weiblichkeitstheorie. Auch wenn Langer, wie sie sagte, "es in einem gewissen Sinn als Sakrileg" empfand, in einigen, jedoch grundlegenden Punkten von den einseitigen, weil phallischen Konstruktionen Freuds abzuweichen, so war ihre Kritik konstruktiv und für die 50er-Jahre - ihr Buch erschien 1951 - nahezu revolutionär.

Von der Menarche bis zum Klimakterium spannt sich der Bogen in "Mutterschaft & Sexus", in dem die Wissenschafterin die Wechselwirkungen innerhalb des weiblichen Sexus anhand psychoanalytisch-psychosomatischer Studien darlegt und dabei - und das kann Freud nicht nachgesagt werden - fundierte kulturell moralische Ursachen nicht ausspart. Insoferne steht sie auch, zumindest die Konzeption des frühödipalen Stadiums betreffend, im gleichen Kontext wie Karen Horney, Helene Deutsch, Melanie Klein und Margaret Mead.

Die Untersuchung dessen, was Freud noch als "dunklen Kontinent" bezeichnet und ihn trotzdem nicht davon abgehalten hat, ein äußerst degradierendes und einengendes Geschlechterkorsett zu erstellen, nämlich die weibliche Sexualität, durchwebt hingegen Langer mit Vergleichen und Beispielen aus Geschichte, Ethnologie und Anthropologie.

"Ich begriff, dass unsere Sexualität anders ist...

... als die, die Freud uns zugeschrieben hat und dass er sich wirklich geirrt hat. Damals fing ich an über die Frau zu schreiben, über psychogene Unfruchtbarkeit, Menstruationsprobleme, Frigidität usw.". Und kam dadurch zu anderen Ergebnissen. Entgegen dem vorherrschenden politisch-psychologischen Frauenideal der 50er Jahre sprach sich Langer für die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft aus: "Eine Frau, die ausschließlich Mutter ist, wird mit ihrem Schicksal nicht zufrieden sein."

Ihr Plädoyer für Beruf und Selbstbestimmung der Frau war eines mit Wechselwirkungen. Umgekehrt würde auch der Verzicht auf die Mutterschaft möglicherweise Defizite bescheren, denn so Marie Langer "jeder Verzicht hat seine Folgen". Und diese wiederum könnten eine Verbitterung herbeiführen und den Glauben, sie sei weniger wert als der Mann; negative Wirkungen, welche von Generation zu Generation weitergegeben würden. Doch "die Frauen können genausoviel wie die Männer hervorbringen, auch wenn viele ihrer Werke in mancher Hinsicht ander sind..."

Marie Langer, Psychoanalytikerin der dritten Generation und Antifaschistin der ersten Stunde, lebte von 1910 bis 1987. (dabu)