Die Untersuchungen der Innsbrucker MedizinerInnen über die neuronale Emotionsverarbeitung bei Männern und Frauen würden Louann Brizendine wohl gut gefallen. Denn schon als Assistenzärztin in der Psychiatrie sei sie gefesselt gewesen "von der Erkenntnis, dass Depressionen bei Frauen doppelt so häufig auftreten wie bei Männern".

Das schreibt die US-amerikanische Neuropsychiaterin und Betreiberin einer Hormonkinik in der Einleitung zu ihrem kürzlich auch auf Deutsch erschienenen Bestseller "Das weibliche Gehirn", der es sogar aufs News-Cover schaffte.

All das, was in den notorischen Ratgebern über die Einparkprobleme von Frauen und Zuhördefizite bei Männern bloß behauptet wurde, glaubt Brizendine nun mit geschlechtlichen Hirndifferenzen erklären zu können. Denn: "Biologische Gegebenheiten bilden tatsächlich das Fundament unserer Persönlichkeit."

Zwar hat die Autorin selbst keine einzige der zitierten Studien durchgeführt. Diese hätten aber zum Beispiel gezeigt, dass sich "die Schaltkreise für Vertrauen und Sicherheit im Gehirn eines Babys möglicherweise nicht ausreichend entwickeln, wenn seine Mutter keine ausreichende Fürsorge bietet".

Von der ungeheuren Plastizität unserer grauen Zellen, ihrer ständigen Veränderung und der Offenheit für Erfahrungen ist natürlich keine Rede. Dafür hat Brizendine immerhin ein neues Gebiet begründet, wie das Fachblatt Nature spöttisch anmerkte: die Psychoneuroindoktrinologie. (tasch/DER STANDARD, Printausgabe, 7. März 2007)