Foto: Ursula Staffa
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"The best man at work is a woman!" lautet kokett die Aufschrift auf dem Firmenauto von Malermeisterin Evelyn Jenny-Miller. Die Vorarlbergerin steht seit zwanzig Jahren mit ihrem Ein-Frau-Unternehmen den Männern in der Branche in nichts nach und treibt's bunt – ein Porträt von Gastautorin Ursula Staffa.

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Rankweil - "Gerne gemalt habe ich schon im Kindergarten", lacht Evelyn Jenny-Miller, "der Handwerksberuf liegt in meiner Familie. Aber ich dachte nie, ich wäre der Typ zur Unternehmerin. Heute könnte ich mir auch Elektrikerin vorstellen, oder Konditorin, damit kommt man auch noch in der Welt herum."

Ihr Karriereweg begann 1977 als Lehrling im Malerbetrieb ihres späteren Ehemanns. Damals lagen bereits ein Jahr Kunstschule und zwei Jahre Auslandsaufenthalt in der französischen Schweiz und den USA hinter ihr. Als die Firma des Ehemanns in eine Konkurssituation schlitterte, war auch ihr eigener Arbeitsplatz als Gesellin gefährdet. Da bestand sie als Fünfundzwanzigjährige die Befähigungsprüfung – und übernahm das Steuer. Den Meisterbrief holte sie sich drei Jahre später. Bereut hat sie ihre Entscheidung so gut wie nie.

Die heute Achtundvierzigjährige lebt mit Mann, Hund und ihrem Klavier, das sie sich vom Ertrag ihres ersten Großauftrags leisten konnte, in einem gemütlichen Häuschen neben ihrer Rankweiler Werkstatt. Ihr Arbeitstag hat mehr als neun Stunden, aber sie reist auch gerne und genießt ihre Freiheiten. Ganz bewusst übt sich die Handwerksmeisterin im Verzicht auf Überheblichkeit. "Ich besitze ein Auto (der buntbeschriftete Firmenwagen, Anm.d.Autorin), das genügt, ich brauche keinen Porsche vor der Tür, keine Brillanten. Für mich ist jeder Tag eine neue Herausforderung, und der größte Erfolg ist für mich, wenn wieder ein Tag Geld gebracht hat und die Kunden zufrieden waren."

Grauer Arbeitsalltag ganz schön bunt

Zu achtzig Prozent erhält Evelyn Jenny-Miller Renovierungsaufträge von Privatkunden und -kundinnen, der Rest fällt an Bauunternehmen. Ihr Arbeitsalltag besteht aus Verputzen, Malen und Lackieren, Tapezieren, Fassadengestaltung, Kunstanstrichen, Stuckprofilarbeiten und Farbberatung im Innen- und Außenbereich. Die Auftragslage stimmt. "Ich habe keine schlaflosen Nächte mehr." Die Erleichterung ist der Unternehmerin leicht anzuhören. "Je älter ich werde, desto mehr Arbeit erhalte ich."

Den vorsichtigen Optimismus als Erfolgsbaustein teilt sie mit vielen Selbständigen. Die Erfahrung, auf Gerüsten auch in zehn Metern Höhe körperliche Schwerarbeit zu verrichten und ihr Unternehmen eigenständig zu führen, teilt sie mit nur sehr wenigen Kolleginnen in der Branche. Laut Auskunft der Wirtschaftskammer existieren in Vorarlberg insgesamt 181 Malermeisterbetriebe, geschätzte drei davon befinden sich - als Einzelunternehmen oder Klein- und Mittelbetriebe - in Frauenhand.

Evelyn Jenny-Miller bemüht sich um Mädchenförderung und Frauennachwuchs im Malergewerbe. Wenn sie als Praxisfrau zu Berufsinfotagen eingeladen wird, versucht sie, weibliche Schnupperlehrlinge für die Malerbranche zu gewinnen. "Als Verkäuferin einhundertmal am Tag den gleichen Pullover zusammenzulegen, kann doch keine Berufung sein!" ereifert sie sich kopfschüttelnd, "hingegen für einen Riesenmetallbetrieb ganze Maschinen umzumalen, das verschafft doch Bestätigung." Ihre Erfahrung in männerdominierten Branchen: Viele Großbetriebe beschäftigten gerne Frauen, aber der Großteil der Mitarbeiterinnen sei auf Teilzeitarbeit und den klassischen Lebensweg Heirat - Hausbau - Kinder fixiert. "In der Metallbranche zum Beispiel ist halbtags einfach unmöglich", bekräftigt sie. Als Subunternehmerin von Großunternehmen weiß sie, wovon sie spricht.

Die Arbeit am Rohbau sei leider zunehmend geprägt von der Rücksichtslosigkeit einzelner Handwerksbetriebe untereinander, stellt sie kritisch fest. "Es ärgert mich einfach, wenn mir einer die Schaufel an die frischgemalte Wand stellt." Hingegen liebt sie es, Privatkunden und -kundinnen für mutige Farben in der Wohnung zu begeistern. Wenn's die Kundschaft wünscht, wird eine Wand auch einmal schwarz oder rot.

Weibliche Berufsqualität

"Logischeres Denken, besseres Zuhören und größeres Wertlegen auf Kundenvertrauen sind es, was Frauen in der Arbeitswelt von Männern unterscheidet", meint Evelyn Jenny-Miller. "Mitunter bin ich auch Seelentrösterin." Hingegen sei das Durchsetzungsvermögen bei Männern besser ausgeprägt. Die Strategen, wie oft behauptet, sind sie aber für sie nicht. "Männer arbeiten viel komplizierter!"

Was also könnten Männer von ihr lernen? "Alles", stellt sie mit ernstem Gesicht fest und lacht prustend los. Und wenn alle Bauhandwerker Frauen wären? "Dann wäre irgendwo doch wieder ein einziger Mann der Hahn im Korb", kontert sie. Ihr Selbstbewusstsein und ihre Überzeugungen hat sich die Malermeisterin hart verdient. Denn dumme Sprüche und Anmache kennt sie seit der Lehrzeit. "Heute weiß ich mich zu wehren. Aber in den Siebzigerjahren war es für eine Frau auf dem Rohbau einfach unmöglich."

Als Einzelunternehmerin in einer Männerdomäne tätig zu sein, ist kein leichtverdientes Brot. Doch Evelyn Jenny-Miller, die Malermeisterin mit Herz, Hirn und Humor, macht gerne anderen Frauen Mut: "Klein anfangen, sich langsam aber stetig steigern, kein Fremdkapital, und auch an schlechte Zeiten denken." Denn: "Der beste Arbeiter ist eine Frau", lautet ihr Firmenmotto. Wer die Malermeisterin kennen lernt, glaubt's.