Warum Schweden?", fragt der DuMont-Reiseführer vor seiner "Landeskunde im Schnelldurchgang".Auf dem Titelbild die Burg Gripsholm, in der vorderen Umschlagklappe Süd- und Mittelschweden, in der hinteren Nordschweden. Noch eine Bemerkung unter dem Titel Abschied vom schwedischen Modell: "Der zweite Weltkrieg, der Mitteleuropa verwüstete, war für die schwedische Stahl- und Waffenindustrie eher ein Segen." Verhältnismäßig lange blieben danach noch Schweden in Wien: "Schwedische Mission für Israel" hieß ihre Anlaufstelle im Zweiten Weltkrieg in der Seegasse - ein Clubraum im Parterre, zwei Ordensmissionen, Pastoren. Wer jetzt hört, dass die Schweden in Japan gegen Argentinien "mauern" und die Bilder gegeneinander hält, findet nicht das attraktive Sightseeing, er versucht eher, die mauernden Schweden in Argentinien mit den zurückhaltenden, neutralen Schweden von damals zu vergleichen, die auf andere Weise auch "mauerten". Zum Glück ließen sie wenigstens Bruno Kreisky ins Land. In der "Schwedischen Mission für Israel" - sie wollten uns, "rassisch unreine" Mädchen, wohl zum wahren Glauben "bekehren": Jetzt, da alle diesen Begriff so inflationär verwenden, müsste ich das wohl "antisemitisch" nennen - saßen damals zwei Diakonissinnen und drei Pastoren. Nur ein Name taucht herauf: Pastor Hederquist, und zwei Namen von Schwestern: Grete Andreen und Anneline Petersen. Fünf Schweden in Wien. Kurz ehe die Schweden die Schwedische Mission in Wien verließen, gab es noch Kaffeehäuser, Kinos und heute unverständliche Hoffnungen. Die Gruppe, die sich um sie gesammelt hatte, blieb zurück: keine Zusammenkünfte mehr, keine Erweckungserlebnisse oder Bekenntnisse, keine Jugendchöre. Nie mehr die unverständliche Forderung: "Tochter Zions, freue dich". Das Jauchzen Jerusalems versickerte in der Seegasse. Fünf Finger reichten, um die zu zählen, die nach Schweden fliehen durften. Selma Lagerlöf bekam 1940 den Nobelpreis. Aber nicht einmal die Wildgänse des Nils Holgersson konnten einige von denen retten, die zurückblieben. Die Lastwagen mit den anderen fuhren über die Schwedenbrücke zu den Transportzügen. Längst haben die Eissalons wieder geöffnet und werden gestürmt. Der am Schwedenplatz liegt schräg gegenüber der Stadtbahnstation. Aber wer ohnehin selten die Stadtbahn nimmt und nicht täglich an Schweden denken will, holt sich sein Eis am Hohen Markt oder auf der Tuchlauben. (DER STANDARD, Printausgabe, 14.6.2002)