Die Meldung über Bushidos Bambi-Auszeichnung schlug kurz nach der Bekanntgabe hohe Wellen. Der Grund: Der polarisierende Rapper erhält den deutschen Medien- und Fernsehpreis "Bambi" - ausgerechnet in der symbolträchtigen Kategorie "Integration".

Der Rapper sei ein Mann, der das respektvolle Miteinander in Deutschlands "multikultureller Gesellschaft" fördert, ließ die Jury vorab verkünden. Ein "hervorragendes Beispiel für gelungene Integration", heißt es weiter.  "Was hat er gemacht? Ist er der Richtige?", waren die ersten Reaktionen. Dabei verläuft der derzeitige Rummel um den in Berlin aufgewachsenen Hip-Hopper, geradezu schemenhaft ab.

Schon seit dem Beginn seiner professionellen Künstler-Karriere stieß der Deutsch-Tunesier auf Kritik - eine Ablehnung die sich auch heute wie ein Ritual wiederholt.  Doch was macht Bushido, die Kunstfigur eigentlich aus? Als Sohn einer Deutschen und eines Tunesiers krempelte Anis Ferchichi, so der bürgerliche Name, das Genre Deutsch-Rap kurzerhand um. Der hiesige Sprachgesang war bis 2003 - bis auf einige wenige Künstler - den deutschstämmigen Hip-Hop-Gruppierungen aus Stuttgart und Hamburg vorbehalten. Diese verstanden es mit ihrer sozialkritischen Bestandsaufnahme der Gesellschaft zwar auf die Probleme der Zeit hinzuweisen, konnten aber nur wenig Gehör bei der migrantischen Jugend aus den Ballungszentren Deutschlands finden. Zu distanziert vom Thema, zu bürgerlich ihr Umfeld: Man kaufte es ihnen einfach nicht ab.

Durch Bushidos erstes erfolgreiches Album "Vom Bordstein bis zur Skyline" änderte sich diese Lage schlagartig, weil ein riesiger Markt bis dahin ausgeblendet wurde. Mit dem kommerziellen Aufstieg des Berliner-Independent-Labels "Aggro-Berlin", das neben Bushido auch Sido unter Vertrag hatte, wurde die Tür zum Musikmarkt für eine neue Hip-Hopper-Generation mit und ohne Migrationshintergrund geöffnet. Dank der hervorragenden Verkaufszahlen, wurde aus Bushido, der zunächst abgewiesen wurde, einer der gefragtesten Personen in der deutschen Musikbranche. Dieser rote Faden setzt sich bis heute fort: Zuerst wollte den Rapper keiner, dann arrangierte man sich mit ihm, weil es sich verkaufte.

Selten hat jemand für dermaßen Aufmerksamkeit gesorgt wie Bushido, der eine Projektionsfläche für Tabubrüche, Superlative und Inszenierungen darstellt - und das noch glaubhaft. Der Migrantenjunge aus Berlins Südbezirk Tempelhof steht auf Du und Du mit Spitzen-Politikern, Chefredakteuren und der Fußballnationalmannschaft. Den Medien beschert er Top-Stories und hohe Quoten, die geballte Öffentlichkeit, die er dadurch bekommt, macht er bei seinen Konzerten und Promo-Touren zu Geld. Achtzig-Tausend Euro pro Stunde Bühnen-Auftritt soll er, laut Süddeutsche Zeitung, mittlerweile einnehmen.

Das soziale Milieu, die Geschichten, die Bushido in seinen Texten beschreibt, finden trotz kritischer Vorbehalte großen Anklang - besonders bei vielen Jugendlichen aus den sogenannten sozialen Brennpunkten. Er spricht die Sprache vieler junger Migranten, hat den Nagel auf den Kopf getroffen, ganz gleich welche Herkunft oder Bildungsabschluss seine Zuhörer haben. Sie haben in der Figur "Bushido" ein omnipräsentes Vorbild gefunden, der nicht nur so aussieht wie sie, sondern was viel wichtiger ist ihre Lebensrealität widerspiegelt. Sie schenken Bushido jene Aufmerksamkeit, die sich viele Pädagogen und Sozialarbeiter wünschen würden.

Dass Bushido mit seinen sexistischen- und homophoben Texten - die im Jahresintervall von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert werden - junge Menschen beeinflusst, steht außer Frage. Die Texte müssen aber darüber hinaus kontextgebunden und als typisches Stilelement des Rap betrachtet werden.

Mit der Bambi-Auszeichnung beerbt er den Real-Madrid-Kicker Mesut Özil und bekommt den ältesten deutschen Medienpreis. Die Entscheidung Bushido eine Auszeichnung für Integration zu verleihen ist mutig. Wenn man aber alle Aspekte seiner Person und seiner Arbeit durchleuchtet ist sie richtig. (Toumaj Khakpour, daStandard.at, 9. November 2011)