Tereza G. in ihrem Wohnzimmer, das gleichzeitig auch ihr Schlafzimmer ist. Im Frühjahr muss sie hier ausziehen, Vereinsobmann Georg Slawik hält bereits nach einer Ersatzwohnung Ausschau.

Foto: Putschögl

Terezas Sohn Vagif schläft auf der Couch in der Küche.

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Das Gründerzeithaus in der Brigittenau, dessen Besitzer dem Verein zehn Wohnungen zur Verfügung gestellt hat, wird demnächst einer Sockelsanierung unterzogen.

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In Tadschikistan hatte Tereza G. zwei Häuser zur Verfügung. In Wien hat sie nicht einmal ein Schlafzimmer. Ihr 26-jähriger geistig behinderter Sohn Vagif schläft nun auf der kleinen löchrigen Couch in der Küche, die eigentlich auch Vorzimmer ist. Sie selbst verbringt die Nächte auf der ausziehbaren Wohnlandschaft im Wohnzimmer der 28 m² großen Altbauwohnung in Wien-Brigittenau.

Tereza ist überglücklich, dass sie diese Wohnung hat. 122 Euro zahlt sie netto Miete im Monat, der Mietvertrag kam auf Vermittlung des Vereins "immo-humana" zustande. Dieser wurde 1997 gegründet und hat es sich zum Ziel gesetzt, schwangeren alleinstehenden bzw. alleinerziehenden Frauen, die in Wohnungsnot sind, zu helfen. Getragen wird der Verein hauptsächlich von Menschen aus dem Immo-Business; im zehnköpfigen Vorstand sitzen gleich fünf Immobilientreuhänder, darunter auch WKÖ-Fachgruppenobmann Thomas Malloth. Mit dabei sind aber auch Dompfarrer Toni Faber sowie Gertraude Steindl, Präsidentin der kirchennahen und gegen Abtreibungen kämpfenden "Aktion Leben".

Vermieter gesucht

Vereinsgründer und Obmann ist Georg Slawik, er ist Verwalter und Makler mit Büro im 7. Bezirk. "Man kann mit einer Wohnung so wahnsinnig viel Gutes tun", sagt er und verweist auf die Erfolgsbilanz des vergangenen Jahres: 64 Frauen mit insgesamt 106 Kindern habe man 2010 eine Wohnung verschaffen können. Derzeit sind es rund 45 Wohnungen, die der Verein zur Verfügung hat - bei einer aktuellen Warteliste, auf der 65 Namen stehen.

Die Frauen kommen selbst für die Miete sowie die Betriebskosten der Wohnungen auf, das ist eines der Prinzipien des Vereins. Immo-humana mietet also die Wohnungen nicht selbst, sondern vermittelt sie - und ist deshalb permanent auf der Suche nach Haus- oder Wohnungsbesitzern, die ihre vier Wände zu günstigen Mietpreisen zur Verfügung stellen.

Flucht nach Österreich

Gerade diese Selbstverantwortlichkeit ist es auch, die den Frauen sehr wichtig ist, sagt Slawik. Tereza G. habe es beispielsweise abgelehnt, Geld vom Sozialamt zu bekommen, erklärt er beim derStandard.at-Lokalaugenschein im 20. Bezirk. Sie will selbst für ihren und ihres Sohnes Unterhalt sorgen und arbeitet deshalb als Hausbetreuerin eines 94-jährigen Mannes, der in der Umgebung wohnt; kocht für ihn und geht für ihn einkaufen, für 1000 Euro netto im Monat - sowie ein Fernsehgerät und einen Kühlschrank.

Tereza stammt aus Armenien, lebte bis 1991 allerdings in Tadschikistan. In diesem Jahr hatte sich die zentralasiatische Republik von der Sowjetunion losgesagt, ein blutiger Bürgerkrieg war die Folge. Terezas Ehemann, ein ranghoher Polizist in einer Provinzhauptstadt, fiel diesem Krieg zum Opfer. Sie selbst flüchtete mit Vagif über die Ukraine nach Österreich. Hier hat die 54-Jährige nun seit einem Jahr den Status einer "subsidiär Schutzberechtigten".

Keine männlichen Partner erwünscht

Weil der Verein das Prinzip, nur alleinstehenden Frauen in Not zu helfen, hoch hält, muss Slawik hie und da eine Frau bitten, die vermittelte Wohnung wieder zu verlassen. Bei einer Frau mit Tochter, der er im 10. Bezirk eine Bleibe verschafft hatte, war das der Fall. "Es stellte sich heraus, dass ihr Partner dort ebenfalls wohnt. Sie hatte uns zwar nicht verschwiegen, dass sie einen Freund hat, aber sie hatte uns gesagt, dass sie allein leben will", berichtet Slawik.

Auch Tereza G. muss bald ihre Wohnung in der Brigittenau verlassen. Allerdings nicht wegen eines neuen Partners. Vielmehr wird der Hausbesitzer, der dem Verein immo-humana zehn seiner Wohnungen zur Verfügung gestellt hat, im Frühjahr eine geförderte Sockelsanierung durchführen. Auch wenn Georg Slawik nun das Problem hat, möglichst rasch Ersatzwohnungen für die hier lebenden Frauen und Kinder zu finden, ist er dem Mann doch sehr dankbar dafür, dass er in den letzten Jahren auf diese Unterstützung zählen konnte.

Nun gelte es aber, nach vorne zu schauen. Für Tereza und Vagif soll demnächst um eine Notfallwohnung der Stadt Wien angesucht werden. Mit deren Magistratsabteilung 50 (u.a. Sozialwohnungsvergabe, Anm.) arbeite man sehr gut zusammen, berichtet der Vereinsobmann. Auch in diversen Sozialämtern liegen die Folder des Vereins auf, "unsere Bekanntheit unter den Frauen ist fast schon ein bisschen ein Problem" - siehe die lange Warteliste.

Weil es mit der Wohnungsvermittlung meist nicht getan ist, sondern auch beispielsweise Kindergarten- oder Schulanmeldungen für die Kinder vorgenommen werden müssen, und oft auch allgemeine Hilfestellung in diversen Lebenslagen gefragt ist, hat der Verein mittlerweile drei Teilzeit-Angestellte engagiert.

Arbeiten am "immo-humana-Haus"

Und um das alles sozusagen unter einem Dach anbieten zu können, verfolgt der Verein derzeit auch noch ein anderes sehr ambitioniertes Projekt: das "immo-humana-Haus". Gesucht wird ein Zinshaus in Wien, das zum fixen Vereinsstandort ausgebaut werden kann, mit ein paar vorübergehenden Notfallwohnungen, aber auch einer Arztpraxis, einer Beratungsstelle, einem Seminarraum für die regelmäßig stattfindenden  "Frauenrunden" sowie Stauraum für die Zwischenlagerung von gespendeten Möbeln.

450.000 Euro benötige der Verein für die Umsetzung dieses Ziels, rechnet Slawik vor. Etwas mehr als die Hälfte des Geldes ist schon beisammen und lagert auf einem Treuhandkonto. Wer das Haus-Projekt finanziell unterstützen will, kann virtuelle "Bausteine" zu Preisen zwischen 1000 und 5000 Euro erwerben. Aber auch für jede andere Summe ist der Verein dankbar, sollen doch zu Weihnachten im Rahmen der Aktion "Die Ärmsten" wieder Lebensmittel-Gutscheine an die bedürftigsten Frauen verteilt werden.

Tereza G. könnte auch noch etwas anderes gut gebrauchen: eine Eingangstür, die sich auch wirklich ganz schließen lässt. "Mit dem Umzug werden wir auch dieses Problem lösen", ist Slawik zuversichtlich. (Martin Putschögl, derStandard.at, 1.12.2011)