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Wenn Alice Schwarzer was zu sagen hat, sind die Medien nicht weit. Hier ist sie als Kommentatorin des Jörg-Kachelmann-Prozesses im Mai 2011 zu sehen.

Foto: APA/MARIJAN MURAT

Das bunte Faschingstreiben in Köln wird in diesem Jahr für die Frauen im mittelalterlichen "FrauenMediaTurm" (FMT) am Rheinufer vermutlich nicht besonders ausgelassen ausfallen. Das dort seit 1994 ansässige "Feministische Archiv und Dokumentationszentrum" steht vor dem Aus. Landesmittel von insgesamt 210.000 Euro sollen auf 70.000 Euro gekürzt werden. Am Dienstag erfuhren die Frauen rund um Alice Schwarzer, die das Archiv seit Anfang der 1980er Jahre aufbaute, via Lokalpresse, dass nun auch die Stadt Köln den finanziellen Hahn zudrehen will. Zu den Kürzungen der Landesregierung komme hinzu, dass die Stadt die Erlassung der Pacht für den historischen Turm in der Höhe von 16.146 Euro pro Jahr sowie die Förderung des Archivs in der Höhe von 50.000 Euro nicht einlösen werde, so Alice Schwarzer gegenüber dieStandard.at.

Status quo

Das Archiv habe mit einer kostendeckenden Subvention von Seiten des Landes in der Höhe von 210.000 Euro pro Jahr haushalten müssen, schreibt Alice Schwarzer in ihrem Blog. Damit konnten dreieinhalb Stellen, die Archiv- und Betriebskosten bezahlt werden. Vom damaligen nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU) wurde diese Finanzierung 2008 für die nächsten zehn Jahre, also bis 2017, gesichert. Im März letzten Jahres erfuhren die Frauen des FMT, dass die NRW-Frauenministerin ihren Anteil von 70.000 Euro rückwirkend zum 1. Jänner 2011 gestrichen hatte. Im Dezember 2011 ließen die Ministerinnen für Wissenschaft und Kultur mitteilen, dass sie ihren Anteil von je 70.000 Euro für 2012 auf die Hälfte kürzen werden. Was dem gemeinnützigen Verein nun also bleibt, ist eine Summe von 70.000 Euro pro Jahr. Laut Schwarzer könnten damit lediglich die Betriebskosten des "Turms für Frauen allein" bezahlt werden.

Das "Feministische Archiv und Dokumentationszentrum" ist eines von insgesamt 38 dieser Art in Deutschland. Mit dem Bestand von 15.000 Büchern, 26.000 Zeitschriften, 33.000 Aufsätzen, 600 Presseordnern und dazu Plakaten, Filmen, Fotos und einer Chronik der Frauenbewegung ist es auch das größte in der BRD - zudem ist im FMT die "Emma"-Redaktion als eigenständiger Verlag untergebracht.

Racheakt der Grünen?

Die zuständigen PolitikerInnen erklärten, dass das Geld umgeschichtet werden soll - Frauenhäuser bräuchten das Geld dringender und Schwarzer habe aufgrund ihrer Prominenz bessere Chancen, Geld anzuwerben, als Frauenhäuser. Schwarzer kontert, dass die "Dokumentation und Erforschung der Ursachen häuslicher Gewalt genauso wichtig ist wie konkrete Hilfe". Zudem meint die deutsche Paradefeministin, dass hier verschiedene Fraueneinrichtungen gegeneinander ausgespielt würden. Kolportiert wird, dass ein Gros des Geldes an das Frauenkulturbüro in Krefeld verschoben würde. Schwarzer vermutet hinter den Kürzungen zudem einen Racheakt und eine Neuauflage eines alten Konflikts mit den Grünen.

Gegenüber dieStandard.at gibt Schwarzer zu bedenken, dass es auffalle, dass in "Deutschland nicht nur im Falle des FMT die Konservativen offener reagieren als die Sozialdemokraten und die Grünen". Im Land Hessen etwa habe die schwarz-gelbe Regierung die Förderung des in Kassel ansässigen Archivs zur Geschichte der Frauenbewegung nicht gesenkt, sondern erhöht. Welche Schlüsse kann frau daraus ziehen? "Auf jeden Fall schon mal den, dass es nicht geht, dass ein Frauenprojekt wie ein Archiv abhängig ist von parteipolitischer Vasallentreue seiner Betreiberinnen zu den jeweiligen Machthabern", so Schwarzer.

"Es ist ja kein Geheimnis, dass 1994 die Grünen und die ihnen verbundenen Kräfte partout in den Turm wollten. Die Grünen haben damals eine wirklich sehr schmutzige Kampagne losgetreten. Ich habe nicht damit gerechnet, dass eine grüne Ministerin, die aus Köln kommt, 18 Jahre später eine Neuauflage macht", wurde Schwarzer Ende Jänner bei Ö1 zitiert. Für sie ist es daher offensichtlich, dass die Landesemanzipationsministerin Barbara Steffens nicht davon abzubringen sei, den Rotstift beim "einzigartigen Archiv des Feminismus" anzusetzen. "Sie haben seither das Archiv mit allen Mitteln bekämpft - nicht immer mit fairen", schreibt Schwarzer in ihrem Blog. Die Grünen dementieren.

Unbeantwortete Briefe

Dass hinter den Kürzungen andere Frauen stehen, macht die Sache nicht gerade angenehmer für Schwarzer. Von der Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sei sie enttäuscht, weil diese seit März 2011 auf insgesamt sechs, "von Mal zu Mal dringlicher werdende Briefe es nicht für nötig gehalten hat" zu antworten. Kulturministerin Ute Schäfer und Wissenschaftsministerin Svenja Schulze - beide von der SPD - halbierten in Einklang mit Kraft ebenso ihre Zuschüsse.

Was nun?

Kurzfristig, so Schwarzer gegenüber dieStandard.at, sei die Existenz des FMT durch private Spenden gesichert, wenn auch personell stark reduziert. Mittelfristig müsse sich der Vorstand erneut um private Förderer bemühen. Langfristig jedoch wünscht sich Schwarzer "eine institutionelle Verankerung des Archivs, so wie Ariadne in Österreich". Schwarzer gibt sich wie immer kämpferisch und betont, dass "der FMT weitermachen wird. Der Pachtvertrag für den ausgebauten Turm läuft bis 2063. Bis mindestens dahin wird der Turm Sitz des Archivs sein. Und ich hoffe, darüber hinaus." (dieStandard.at, 8.2.2012)